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Inzwischen geschiedene Leute: Silvio Berlusconi hat seinen Finanzminister Giulio Tremonti auf Druck seines Koalitionspartners fallen gelassen.

Foto: AP Photo/Plinio Lepri
In der römischen Regierungskoalition ist nach dem Rücktritt von Finanzminister Tremonti eine akute Krise ausgebrochen. Silvio Berlusconi hat mit der Schadensbegrenzung alle Hände voll zu tun.

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Die Nacht der langen Messer wird Giulio Tremonti so schnell nicht vergessen. Seinen Widersachern von der Nationalen Allianz hatte er Entgegenkommen signalisiert, Gesprächsbereitschaft. Doch Vizepremier Gianfranco Fini suchte nicht das Gespräch, sondern die Konfrontation.

"Sie kamen mit gewetzten Messern", schildert Lega-Vizechef Roberto Calderoli das Klima auf der entscheidenden Sitzung des Rechtsbündnisses. Im Palazzo Grazioli, der römischen Residenz von Premier Berlusconi ging es am Freitagabend turbulent zu. In sechs Stunden lautstarker Konfrontation gerieten sich die Koalitionspartner in die Haare wie sonst nur politische Gegner. Vergeblich versuchte der einflussreiche Superminister (Finanzen, Haushalt, Wirtschaft), sein 5,5-Milliarden-Euro-Sparpaket zu erläutern. Die Zahlen seien getürkt, fertigte Fini den irritierten Minister ab. Kurz nach Mitternacht stellte der Vizepremier seinen Regierungschef dann vor die Alternative: "Einer von uns beiden geht. Entweder Tremonti oder ich."

Berlusconi forderte Tremonti zum Rücktritt auf

Berlusconi, der noch vor wenigen Wochen einen Rücktritt seines Ministers als "unvorstellbar" abgelehnt hatte, beugte sich dem Diktat, um das Überleben seiner Regierung zu sichern. Er forderte Tremonti zum Rücktritt auf. Gegen zwei Uhr früh verließen die Rivalen kommentarlos die Sitzung: Giulio Tremonti, der Geschlagene, und Gianfranco Fini, der Sieger. Wie gegensätzlich ihre Auffassungen in Wirtschaftsfragen sind, wurde am Beispiel Alitalia deutlich: Während Tremonti nach Swissair-Vorbild einen Konkurs der maroden Fluglinie befürwortete, sprach sich Fini für eine Sanierung mit staatlicher Intervention aus.

Ein Gegenschlag

Nur 24 Stunden nach seiner Entlassung holte der enttäuschte Tremonti zum Gegenschlag aus. Im prächtigen Freskensaal seines Ministeriums präsentierte er sich als Opfer politischer Intrigen und Verleumdungen. Empört wies der Professor für Steuerrecht die Vorwürfe der Nationalen Allianz zurück, den Haushalt durch falsche Zahlen manipuliert zu haben. Fini habe eine fehlerhafte Tabelle zum Tiefschlag gegen ihn benutzt. "Ich habe einen Haushalt mit dem drittgrößten Defizit der Welt übernommen und hinterlasse eine geordnete Bilanz", versicherte Tremonti und fügte hinzu: "Ich wollte die Steuern senken, aber man hat es mir nicht erlaubt." Von Berlusconi forderte er eine Erklärung, dass er entlassen worden sei.

Dieser handelte rasch. Er übernahm interimistisch Tremontis Amt und lehnte die Vorwürfe der Nationalen Allianz gegen den Exminister als "ungerechtfertigt" ab. Dem besorgten Staatspräsidenten Carlo D'Azeglio Ciampi sicherte er eine rasche Beilegung der Krise zu.

Treffen mit Monti

Nichts fürchtet Berlusconi mehr als das, was die Opposition vehement einfordert: Öffentlich zuzugeben, dass die Regierung in eine schwere Krise geraten ist. Noch am Sonntag traf sich der Premier mit seinem Wunschkandidaten für Tremontis Nachfolge, dem italienischen EU-Kommissar Mario Monti.

Oppositionsführer Piero Fassino hält die Regierung für "gescheitert". Mit Tremonti sei kein gewöhnlicher Minister zurückgetreten, sondern einer, der die Ressorts Finanzen, Wirtschaft und Haushalt verwaltet habe. "Das kommt einem politischen Bankrott gleich", so Fassino. Die Kritik aus dem Lager der Opposition nennt der Premier "unverantwortlich". Für Berlusconi ungleich gefährlicher ist die Kritik der Lega Nord am erzwungenen Rücktritt ihres Fürsprechers Tremonti. Lega-Chef Umberto Bossi erklärte aus seinem Krankenzimmer in einer Tessiner Klinik, Rom sei sich treu geblieben und habe "einen hochverdienten Minister Padaniens kaltblütig abserviert". (DER STANDARD, Printausgabe 5.6.2004)