Die Nacht der langen Messer wird Giulio Tremonti so schnell nicht vergessen. Seinen Widersachern von der Nationalen Allianz hatte er Entgegenkommen signalisiert, Gesprächsbereitschaft. Doch Vizepremier Gianfranco Fini suchte nicht das Gespräch, sondern die Konfrontation.
"Sie kamen mit gewetzten Messern", schildert Lega-Vizechef Roberto Calderoli das Klima auf der entscheidenden Sitzung des Rechtsbündnisses. Im Palazzo Grazioli, der römischen Residenz von Premier Berlusconi ging es am Freitagabend turbulent zu. In sechs Stunden lautstarker Konfrontation gerieten sich die Koalitionspartner in die Haare wie sonst nur politische Gegner. Vergeblich versuchte der einflussreiche Superminister (Finanzen, Haushalt, Wirtschaft), sein 5,5-Milliarden-Euro-Sparpaket zu erläutern. Die Zahlen seien getürkt, fertigte Fini den irritierten Minister ab. Kurz nach Mitternacht stellte der Vizepremier seinen Regierungschef dann vor die Alternative: "Einer von uns beiden geht. Entweder Tremonti oder ich."
Berlusconi forderte Tremonti zum Rücktritt auf
Berlusconi, der noch vor wenigen Wochen einen Rücktritt seines Ministers als "unvorstellbar" abgelehnt hatte, beugte sich dem Diktat, um das Überleben seiner Regierung zu sichern. Er forderte Tremonti zum Rücktritt auf. Gegen zwei Uhr früh verließen die Rivalen kommentarlos die Sitzung: Giulio Tremonti, der Geschlagene, und Gianfranco Fini, der Sieger. Wie gegensätzlich ihre Auffassungen in Wirtschaftsfragen sind, wurde am Beispiel Alitalia deutlich: Während Tremonti nach Swissair-Vorbild einen Konkurs der maroden Fluglinie befürwortete, sprach sich Fini für eine Sanierung mit staatlicher Intervention aus.
Ein Gegenschlag
Nur 24 Stunden nach seiner Entlassung holte der enttäuschte Tremonti zum Gegenschlag aus. Im prächtigen Freskensaal seines Ministeriums präsentierte er sich als Opfer politischer Intrigen und Verleumdungen. Empört wies der Professor für Steuerrecht die Vorwürfe der Nationalen Allianz zurück, den Haushalt durch falsche Zahlen manipuliert zu haben. Fini habe eine fehlerhafte Tabelle zum Tiefschlag gegen ihn benutzt. "Ich habe einen Haushalt mit dem drittgrößten Defizit der Welt übernommen und hinterlasse eine geordnete Bilanz", versicherte Tremonti und fügte hinzu: "Ich wollte die Steuern senken, aber man hat es mir nicht erlaubt." Von Berlusconi forderte er eine Erklärung, dass er entlassen worden sei.
Dieser handelte rasch. Er übernahm interimistisch Tremontis Amt und lehnte die Vorwürfe der Nationalen Allianz gegen den Exminister als "ungerechtfertigt" ab. Dem besorgten Staatspräsidenten Carlo D'Azeglio Ciampi sicherte er eine rasche Beilegung der Krise zu.
Treffen mit Monti
Nichts fürchtet Berlusconi mehr als das, was die Opposition vehement einfordert: Öffentlich zuzugeben, dass die Regierung in eine schwere Krise geraten ist. Noch am Sonntag traf sich der Premier mit seinem Wunschkandidaten für Tremontis Nachfolge, dem italienischen EU-Kommissar Mario Monti.