Berlin - Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder hat das anhaltende Umfragetief der SPD als "deprimierend" bezeichnet. "Wir haben Schwierigkeiten, ohne Zweifel", sagte er am Freitag in einem Interview für die ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". "Aber ich bin sicher, dass dieser Reformprozess notwendig ist und Erfolg haben wird", fügte der Kanzler hinzu.

Deswegen sei er im Hinblick auf das Wahljahr 2006 optimistisch. Durch die Antrittsrede von Bundespräsident Horst Köhler fühlt sich Schröder in seinem Reformkurs bestärkt. "Er denkt in die gleiche Richtung, weil er von den gleichen Notwendigkeiten überzeugt ist."

Freier Fall

Nach einer Umfrage von Infratest dimap für die ARD bekäme die SPD nur noch 23 Prozent der Stimmen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre. Nie zuvor kamen die Sozialdemokraten in der monatlichen Erhebung auf einen schlechteren Wert. Innerhalb eines Monats verloren sie vier Prozentpunkte.

Die Union verlor der Umfrage zufolge einen Punkt und steht nun bei 45 Prozent. Damit erreichte die Unterstützung für die Volksparteien ebenfalls einen Tiefstand. Die kleinen Parteien profitierten von den Verlusten. Die Grünen legten zwei Prozentpunkte zu und erreichten den Rekordwert von 13 Prozent. FDP und PDS liegen mit jeweils sieben Prozent in der Wählergunst gleichauf.

An der repräsentativen Umfrage nahmen am 29. und 30. Juni 1.000 Personen teil. Die Sonntagsfrage wurde 1.500 Deutschen gestellt.

SPD-Chef Franz Müntefering erklärte erneut, dass er für eine Kabinettsumbildung keinen Anlass sehe. "Es gibt keinen Grund, jetzt die Bundesregierung zu verändern, sondern es kommt darauf an, dass wir deutlich machen, was mit der Agenda 2010 an positiven Elementen verbunden ist", sagte er im ARD-Morgenmagazin.

Zur Situation der Regierung zog er einen Fußballvergleich heran: "Wir sind jetzt kurz vor der Halbzeit. Wir müssen mal gucken, was in der zweiten Hälfte herauskommt. Und in der 90. Minute kann man auch noch was machen." Bundestagspräsident Wolfgang Thierse schloss eine Abkehr vom Reformkurs kategorisch aus. Ein solcher Schritt würde "die SPD vollends unglaubwürdig machen", sagte der stellvertretende Parteichef laut "Mitteldeutscher Zeitung".

Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber bekräftigte die Bereitschaft der Union, notwendige Reformen im Bundesrat mitzutragen. "Wir sind Opposition, aber wir haben natürlich auch einen Mitgestaltungsauftrag", sagte er in der ARD. Die Opposition verhalte sich sehr konstruktiv, betonte der CSU-Vorsitzende. Wenn das Land saniert werden solle, müsse sie ihre Verantwortung als Mehrheit im Bundesrat auch einsetzen. (APA/AP/dpa)