Der Herzog von Alba trauerte bereits um den Fächer und klagte: "Er ist nicht gestorben, man hat ihn umgebracht." Der Entwicklung zum Trotz und zum eigenen Trost verschaffte sich der Herzog selbst mit einem kleinen Fächer Frischluft. So eröffnete der Spanier 1985 eine Ausstellung in Madrid, eine Hommage an den abanico, den Fächer.

Zwanzig Jahre später kehrt der Totgesagte zurück. Klimaanlagen und Ventilatoren hatten den Windmacher weitgehend ersetzt. Dabei war der handliche Begleiter nie ausschließlich für die Frischluftzufuhr zuständig. Fächeln – Verdecken und Enthüllen – hatte immer auch etwas Erotisches. Nicht zuletzt deswegen ist er nun wieder da.

Augenfälligstes Beispiel für die ganze Welt hätte die Hochzeit des spanischen Kronprinzen Felipe mit Letizia Ortiz sein sollen, mehr als 30.000 Fächer waren zur Verteilung an die Schaulustigen bereitgestellt. Verhindert wurde die große TV-Show der abanicos durch heftigen Regen. Der Einzige, der seinen eigenen Fächer dennoch zückte, war Jaime Marichalar, der Mann von Prinzessin Elena.

Auch wenn das Wetter nicht immer mitspielt, ist der Absatz wieder steigend. Spaniens größte Tageszeitung El País hat die Rückkehr des Fächers für diesen Sommer verkündet, die Produzenten freuen sich über eine gute Auftragslage sowie steigende Exportzahlen, und zumindest in Spaniens Boutiquen gehört der Fächer wieder zu den Luxus-Accessoires.

In keinem anderen europäischen Land gehörte der abanico einst so zum Alltag wie in Spanien. Ob beim Plausch vor der Haustür, ob auf der Plaza, bei Fiestas oder in der Arena – die Damen hatten ihren Windmacher stets im Handgepäck. Die große Popularität verdankte der abanico in erster Linie dem heißen Klima. Aber er hatte noch eine zweite wesentliche Funktion. Die jungen Damen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts waren in Spanien besonders streng behütet. In Ermangelung anderer Möglichkeiten wurde der Fächer zum Übermittler geheimer Signale und Botschaften an Verehrer, das Spiel mit dem Wind wurde zum Code der Koketterie.

Das Zentrum europäischer Fächerkunst ist heute Aldaia, ein kleiner, unauffälliger Vorort im Gewerbegebiet vor Valencia. Ungefähr 30 valencianische Kunsthandwerkstätten erzeugen in Handarbeit noch Fächer, die meisten haben ihren Sitz in Aldaia. So wie die Kooperative Arteal zum Beispiel. In einer engen, angeräumten Werkstatt arbeiten fünf Kunsthandwerker ständig an Fächern, andere liefern zu. 20.000 bis 30.000 Fächer werden so pro Jahr manuell hergestellt: für den Museumsshop der Fundación Thyssen in Madrid etwa oder für den Luxus-Modehersteller Escada.Verkaufsleiter Vicente ist "zuständig für alles, außer Malen". Er freut sich über Zuwachs an Arbeit, nachdem Fächer "lange Zeit fast völlig vergessen waren". Die Billigkonkurrenz aus Asien hätte mit ihren Plastikprodukten allein den Markt beherrscht, "doch heute sind wieder Qualität und Handwerk gefragt".

Auch die ersten Fächer kamen aus Asien, erfunden wahrscheinlich vor einigen tausend Jahren in China oder Japan. Die ältesten, mit Federn bestückten Fundstücke stammen allerdings aus dem Grab des Tut-ench-Amun. Weite Verbreitung fand der Fächer erst, als er zusammenklappbar wurde. Wem diese Erfindung zu verdanken ist, ist nicht ganz klar. Die populärste Theorie datiert die Erfindung ins siebte bis neunte Jahrhundert und schreibt sie einem Japaner zu. Mit Handelsreisenden sei sie dann im 16. Jahrhundert zunächst nach Portugal gekommen und habe von dort aus Europa, insbesondere Italien, Großbritannien, Frankreich und Spanien erobert. Einer weniger bekannten These zufolge hätten die Azteken die Idee gehabt, und via Kuba sei der Fächer zunächst nach Spanien gekommen.

Angekommen ist das Windgepäck jedenfalls. In seiner großen Blütezeit im 18. Jahrhundert, im verspielten Rokoko und auch noch im 19. Jahrhundert bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehörte der Fächer in vielen Teilen Europas als Accessoire zur guten Gesellschaft. Zum literarischen Symbol von Liebe und Betrug machte ihn denn auch der Ire Oscar Wilde in der Komödie "Lady Windermeres Fächer".

Auch Männer haben mittlerweile Reiz und Nutzen des ursprünglich weiblichen Schmuckstücks erkannt. Nicht nur Spaniens Adel wie der Herzog von Alba oder Prinzessinnengatte Marichalar, auch der deutsche Modezar Karl Lagerfeld verhalfen dem Windmacher unter Männern zur Salonfähigkeit. Allein von den Vorlieben edler Prominenz könnten die Hersteller aber nicht leben, sie suchen neues Publikum. Und haben es gefunden. Vicente aus Aldaia stellt erfreut fest: "Auch unter jungen Leuten werden die Fächer wieder populär, viele Discotheken verteilen sie an ihre Gäste". Die große Popularität unter Jugendlichen sei aber logisch, denn "die Verständigung per Fächer ist doch viel einfacher als mit dem Handy". (Der Standard/rond0/2/7/2004)