Die mit einem Drei-Milliarden-Euro-Budget pro Jahr ausgestattete European Space Agency ( Esa) will künftig ihre Forschungskapazitäten mehr der Wirtschaft zur Verfügung stellen. "Wir erlauben Unternehmen, Entwicklungen aus der Raumfahrt kommerziell zu verwerten", erklärt Fritz W. Gampe, Deputy Head des Technology Transfer & Promotion Office.

Beispiele

Erste Beispiele gibt es bereits: So hat die Schweizer Firma Flexcell eine Solarzellenmatte auf den Markt gebracht, die bequem zusammengerollt werden kann. "Nach den EU-Vorgaben erwarten wir uns, dass bei solchen Projekten die Finanzierung zwischen uns und der Firma bei zumindest 50:50 liegt", sagt Gampe, "Lieber ist uns, wenn aus der Wirtschaft 70 Prozent der Aufwendungen zur Marktreife kommen."

Satellitenbau

Ein weiteres Technologietransferprojekt könnte die Bauwirtschaft besonders interessieren: Aus den langjährigen Erfahrungen der Esa mit Kohlefaser im Satellitenbau wurde das Konzept eines "SpaceHouse" entwickelt, das nach den Vorstellungen der deutschen Firma CarbonDesignManufaktur auch im gewöhnlichen Hausbau oder bei Bürohäusern und Hotels Eingang finden soll. Gampe ist jedenfalls bereits dabei, sich ein solches Einfamilienhaus mit einem Durchmesser von acht Metern im norddeutschen Greifswalde zu bauen.

European Space Incubators Network

Für Projekte wie diese hat die Esa einen "Brutkasten", eine Inkubatorenstelle namens European Space Incubators Network (Esinet) eingerichtet. Jungunternehmer und Start-up-Firmen können dabei im niederländischen Noordwijk das dortige Know-how anzapfen und eventuell auch über das Esa-Netzwerk neue Wagniskapitalgeber finden.

10.000 Arbeitsplätzen

Ziel ist, bis zum Jahr 2010 rund 250 Start-ups mit 10.000 Arbeitsplätzen zu initiieren. In der dafür eingerichteten Datenbank wurden 450 Raumfahrttechnologien zusammengeführt, von denen die Esa annimmt, dass sie sich für "weltliche" Produkte oder Herstellungsverfahren eignen.

Als größtes Programm für die kommenden Jahre bezeichnet Gampe für die Esa das künftige europäische Satellitennavigationssystem Galileo. Erst letzte Woche wurde zwischen der EU und den USA ein Vertrag unterzeichnet, der eine Gleichberechtigung mit dem vom Pentagon entwickelten Global Positioning System (GPS) vorsieht.

Galileo Die USA hatten lange Jahre gefürchtet, die Sicherheit des militärischen Teils von GPS könnte durch ein europäisches Satellitensystem beeinträchtigt werden. Diese Vorbehalte wurden durch Vereinbarungen beseitigt, wonach Galileo von militärisch sensiblen Gebieten keine hoch auflösenden Bilder machen wird.

Der Zeitplan sieht vor, dass ab 2005 der erste Satellit in den Weltraum starten und ab dem Jahr 2008 Galileo voll funktionsfähig sein soll.

Aufbau von Galileo

Im Rennen um den Aufbau von Galileo sind das iNavSat-Konsortium aus dem europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS Space, der britischen Inmarsat Ventures und der französischen Thales sowie das Eutelsat-Konsortium aus Eutelsat, der spanischen Hispasat, LogicaCMG und AENA sowie schließlich das Vinci-Concessions-Konsortium, an dem neben der französischen Vinci auch Alcatel und die italienische Finmeccanica beteiligt sind. Gebaut werden die zwanzig plus drei "Standby"-Satelliten in Koordination mit der Esa. In den Orbit geschossen werden die Satelliten von Russland aus. Laut Gampe soll China bereits Interesse signalisiert haben, sich mit zweihundert Millionen Euro am europäischen System beteiligen zu wollen. (Der Standard Printausgabe 1. Juli, 2004, Johanna Ruzicka aus Noordwijk)