Wien - Die stellaren Prozesse funktionieren nicht unbedingt so, wie sich das die Wissenschafter auf Grund ihres physikalischen Modells unserer Sonne erwartet hätten. Hinweise auf Fehler in den Theorien über unser Zentralgestirn lieferten nun Beobachtungen des Sterns Procyon mit dem kanadischen Weltraumteleskop MOST, an dem auch österreichische Astronomen beteiligt sind. Denn der Stern pulsiert nicht so, wie die Forscher prognostiziert haben.

"Entweder ist Procyon ein Sternen-Zombie oder es gibt ein massives Problem im Sonnenmodell", kommentierte Werner Weiss vom Institut für Astronomie der Universität Wien die in der neuen Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift "Nature" veröffentlichten Ergebnisse.

MOST

MOST kreist seit genau einem Jahr um die Erde. Einem Stethoskop vergleichbar lauscht das Gerät dem Pulsieren der Sterne. Um diese Vibrationen, quasi die Musik der Sterne, zu registrieren, werden geringste Helligkeitsschwankungen gemessen. "Es ist, als würde man das Flackern einer Kerze um einen halben Millimeter in einem Kilometer Abstand messen", vergleicht Weiss die Herausforderungen der Asteroseismologie, wie diese Methode heißt.

Dazu wird das Raumteleskop bis zu 60 Tage lang auf einen Stern fixiert. Die Pulsation lässt einerseits Rückschlüsse auf den inneren Aufbau der Sterne zu, sie können aber auch Hinweise auf extrasolare Planeten liefern. Weiss ist das einzige nicht-kanadische Mitglied im wissenschaftlichen Konsortium für MOST. Außerdem steht in Wien eine von drei Bodenstationen für die Kommunikation mit dem Satelliten.

Procyon in der Theorie ...

"Procyon ist der erste untersuchte Stern im Wissenschaftsprogramm von MOST, und gleich der hat eine riesige Überraschung geliefert", sagt Weiss. 32 Tage lang wurde der Himmelskörper, der zum Sternbild des "Kleinen Hundes" gehört und von der Erde rund elf Lichtjahre entfernt ist, nahezu ununterbrochen beobachtet. Unsere Sonne, mit etwa zwei Drittel der Masse Procyons, schwingt mit einer Periode von etwa fünf Minuten.

Die Hochrechnungen, die auf dem Standard-Sonnenmodell basieren, ließen für den Stern eine Schwingungsperiode von etwa 15 Minuten erwarten. Die Amplitude der Schwingung - quasi die Lautstärke der Sternenmusik - sollte etwas höher sein als jene der Sonne.

... und in der Praxis

Doch die Wissenschafter wurden enttäuscht: "Unsere Messinstrumente haben keine Schwingungen wahrgenommen", erklärte Weiss. Der Stern könnte dennoch pulsieren, allerdings außerhalb des Messbereichs der Satelliteninstrumente. "Klar ist damit jedenfalls, dass Procyon nicht so schwingt, wie wir das auf Basis des Sonnenmodells vorhergesagt haben", sagte der Astronom.

Grund dafür könnten die zahlreichen Annahmen und Vereinfachungen sein, die man für dieses Modell unseres Zentralgestirns treffen musste. Die Pulsation unserer Sonne wird durch Konvektion in der äußersten Hülle verursacht, ähnlich wie kochendes Wasser in einem Topf Schallwellen erzeugt und damit hörbar wird. "Die Theorie solcher turbulenter Konvektion ist extrem kompliziert, von einer befriedigenden Turbulenztheorie ist man noch weit entfernt", betonte Weiss.

Ist-Zustand nicht verallgemeinerbar?

Die daher notwendigen Vereinfachungen ermöglichen nach Angaben des Wissenschafters zwar eine gute Beschreibung der Funktion der gegenwärtigen Sonne, "dafür funktioniert das Sonnenmodell sehr gut". Probleme gebe es aber offensichtlich dabei, eben mit diesem Modell Eigenschaften von anderen Sternen bzw. die Zukunft unserer Sonne in Millionen oder Milliarden Jahren vorherzusagen. Noch einmal überprüfen müssen einige Wissenschafterteams auch jene Beobachtungsergebnisse, die sie von Procyon mit Hilfe spektroskopischer Untersuchungen von der Erde aus gemacht haben. Damals glaubten die Forscher nämlich ein Pulsieren gemessen zu haben, was aber nach Meinung Weiss' auch auf unzureichende Messungen zurückführbar wäre. (APA)