Dieter Böhmdorfer über aufbrausende Politiker: "Bücher, mit denen Chauffeuren auf den Kopf geschlagen wurde, Laptops, die durch Ministerbüros geflogen sind."

Foto: Cremer
Für die Kunst des Mitregierens müsse die FPÖ die endgültige Linie erst finden, sagt Dieter Böhmdorfer, der als Justizminister zurückgetreten ist. Im Gespräch mit Michael Völker räumt er ein, gelegentlich auch ein "Häferl" zu sein.

***

STANDARD: Lässt sich die FPÖ in der Regierung zu sehr von der ÖVP über den Tisch ziehen?

Böhmdorfer: Man kann nicht immer das Extremargument bringen, dass man über den Tisch gezogen wird, wenn man in einer Verhandlung gutwillig nachgibt. Die Politologen sagen, die FPÖ fährt eine Doppelstrategie, teilweise Konsenslinie und teilweise Widerstandslinie. Ich sehe das anders. Man kann auch konstruktiven Widerstand bilden. Man muss nicht immer zu allem Ja sagen. Durch die Übermacht der ÖVP laufen wir Gefahr, zu sehr den Konsens zu suchen. Man muss taktieren, wo stemmt man sich dagegen und wo gibt man im Interesse einer kooperativen Zusammenarbeit nach. Das ist die Kunst des Mitregierens. Da müssen wir noch die endgültige Linie finden.

STANDARD: Sie haben für Ihren Kurs gegen die ÖVP offenbar auch in der FPÖ nicht genug Rückendeckung gehabt. War das ein Rücktrittsgrund?

Böhmdorfer: So kann man das nicht sagen. Es war so, dass ich mich bewusst mehr dagegengestemmt habe, gleichzeitig aber eingesehen habe, dass man als Vizekanzler primär konstruktiv sein muss.

STANDARD: In der Rolle des "bad guy" sind Sie doch im Regen stehen gelassen worden.

Böhmdorfer: Diese Interpretation ist mir zu überzogen. Ich bin einfach draufgekommen, dass man als Anwalt der wesentlich härtere Verhandler ist als als Politiker. In der Politik geht das Schließen von Kompromissen oft zu schnell. Eine Regierungsvereinbarung lässt sich in der Exaktheit der Ausdrucksweise nicht mit einem Vertrag vereinbaren. Umso mehr müsste man bei Regierungsvereinbarungen nachverhandeln und adaptieren. Das ist in den letzten eineinhalb Jahren nicht exakt genug geschehen. Wir haben keine einzige Regierungsklausur gehabt. Das hat mich gezwungen, die Standpunkte energischer einzubringen.

STANDARD: Sind Sie enttäuscht, dass die FPÖ Sie nicht mehr gedrängt hat, doch zu bleiben?

Böhmdorfer: Nein, ich habe der FPÖ bewusst die Entscheidung abgenommen, weil ich angesichts des Parteitages keine Diskussion wollte. Ich musste entscheiden, ob ich der Staatssekretärin Haubner den Entscheidungsspielraum erleichtere oder nicht. Faktum war, dass von einer Regierungsumbildung die Rede war, auch von ihr selbst. Zwei von dreien haben als Fixstarter gegolten - Vizekanzler Hubert Gorbach - oder sich zu solchen gemacht - Sozialminister Herbert Haupt. Im Sinne der Beruhigung der gesamten Diskussion habe ich gesagt, sie soll es ohne mich machen. Ich bin zwar überzeugt von dem Weg, den ich gegangen bin, aber ich habe nicht die Präpotenz, dass ich sage, es kann nur mein Weg richtig sein.

STANDARD: Ärgert es Sie, dass Ihnen eine Landesbeamtin, die in der Wasserrechtsabteilung tätig war, nachfolgt?

Böhmdorfer: Das ärgert mich nicht, weil ich bin keiner, der Vorurteile hat. Ich wünsche ihr das Allerbeste. Jeder hat seine Chance. Ich selbst war immer der Meinung, dass es für den Justizminister gut ist, wenn er Anwalt ist, weil die Anwälte den größten Überblick über die Rechtsordnung haben. Aber warum soll nicht auch eine Verwaltungsbeamtin Erfolg haben?

STANDARD: Fühlen Sie sich von den Medien ungerecht behandelt?

Böhmdorfer: Nein, nur in manchen Fragen wären mir Gegenrecherchen lieber. Niemand lässt sich gern ohne Grund als "Störenfried" und als "Blockierer" bezeichnen.

STANDARD: War das mit ein Grund für Ihren Rücktritt?

Böhmdorfer: Unter "ferner, ferner liefen" war es ein Grund, dass ich zur Erkenntnis gekommen bin, dass mir in kritischen Situationen die objektive Beurteilung durch die Medien nicht zuteil wird. Die Begriffe "Störenfried" und "Blockierer" haben mich wahnsinnig getroffen, weil ich genau das nicht bin.

STANDARD: Politiker müssen auch einstecken können.

Böhmdorfer: Ich habe ja auch eingesteckt.

STANDARD: Sind Sie das, was man in Wien ein Häferl nennt? Also ein bisserl ang’rührt?

Böhmdorfer: Nein. Über mich ist geschrieben worden, dass ich sehr aufbrausend bin - und noch mehr. Es gibt eine Unzahl von Anekdoten über andere Politiker, die viel aufbrausender sind: Bücher, mit denen den Chauffeuren auf den Kopf geschlagen wurde, Laptops, die durch Ministerbüros geflogen sind - und andere Sachen mehr. Ich bin sicherlich temperamentvoll. Sicherlich könnte ich manchmal weniger temperamentvoll sein, aber was man jetzt aus mir macht, das finde ich ungerecht.

STANDARD: Also sind Sie jetzt ein Häferl oder nicht?

Böhmdorfer: Im umgangssprachlichen Sinn schon. Aber im Vergleich zu mir sind andere dann Kochtöpfe. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.6.2004)