Hamburg - Die Einigung auf längere Arbeitszeiten beim Siemens-Konzern in Deutschland ist von Arbeitgeberseite begrüßt worden. Sie sehen darin kein direktes Signal für andere Branchen. Die Einigung unterstütze aber einen Trend zu größerer betrieblicher Flexibilität. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hat die geplante Arbeitszeitverlängerung als "absolut richtige Entscheidung" begrüßt. Allerdings sei dieses Modell nicht pauschal auf andere Unternehmen übertragbar.

Neue Kultur der Tarifpartnerschaft

"Die Vereinbarung ist ein gutes Beispiel für die notwendige tarifvertragliche Flexibilität", sagte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt am Freitag in Berlin. Es könne sich "eine neue Kultur der Tarifpartnerschaft" entwickeln.

Beim Arbeitgeberverband Gesamtmetall hieß es, eine Verlängerung der Arbeitszeit sei kein Dogma. Der Abschluss bei Siemens zeige aber die Flexibilität, die der Tarifabschluss den Unternehmen biete. Es sei jedem Unternehmen möglich, nach eigenen Bedürfnissen mit dem Tarifpartner Regelungen zu treffen, sagte Sprecher Martin Leutz.

Bauindustrie berät über Verlängerung ohne Lohnausgleich

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie will bei der am Montag beginnenden Tarifrunde über längere Arbeitszeiten sprechen. Firmen sollten die Arbeitszeit von 39 Stunden ohne Lohnausgleich um drei Stunden erhöhen können. Bei den laufenden Tarifverhandlungen in der Chemie-Industrie fordern die Arbeitgeber ebenfalls bis zu 40 Wochenstunden. Von einer Signalwirkung der Siemens-Einigung will der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) nicht sprechen. "Es wird sich aber nach und nach in den Köpfen festsetzen, dass eine höhere Wochenarbeitszeit zum Erhalt der Arbeitsplätze führen kann", sagte BAVC-Sprecherin Yvonne Frenz.

Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) sieht in der Siemens-Einigung ebenfalls eine Bestätigung des Trends, dass starre Regelungen der Arbeitszeiten nicht mehr der richtige Weg seien.

Gewerkschaft schluckt bittere Pille

IG-Metall-Chef Jürgen Peters sieht die Einigung auf die 40-Stunden-Woche bei Siemens zur Verhinderung von Jobverlagerungen ins Ausland als Einzelfall. Die Gewerkschaft werde darauf achten, dass kein Tor für andere Unternehmen geöffnet werde, sagte Peters am Freitag im DeutschlandRadio. Die IG Metall hatte für die nordrhein-westfälischen Werke Kamp-Lintfort und Bocholt eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 35 auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich akzeptiert.

Peters sagte, die Übereinkunft sei für die Gewerkschaft "eine bittere Pille". Es sei aber darum gegangen, Arbeitsplätze in Deutschland auf lange Sicht zu halten. Siemens verzichtete im Gegenzug für die Mehrarbeit auf die Verlagerung von 2000 Stellen nach Ungarn und gab den beiden Werken eine zweijährige Bestandsgarantie. Peters verwies zudem auf die Zusage von Siemens, 30 Mio. Euro in die Anlagen zu investieren, um dieses wettbewerbsfähig zu machen. Er schloss nicht aus, dass die Vereinbarung zur 40-Stunden-Woche auch über das bisher festgelegte Ende im Juli 2006 verlängert wird. Die IG Metall mache sich keine Illusionen, dass das Rad hier einfach wieder zurückgedreht werden könne. (APA/dpa/AFP)