Die Idee ist nicht ganz neu: Schon der in den USA längst unverzichtbar gewordene "Zagat" als auch seine deutsche Kopie, der "Marcellino's", arbeiten mit dem Grundsatz, dass nur die "normalen" Gäste etwas über ein Restaurant aussagen könnten, dass der Durchschnitt vieler Meinungen der Wahrheit näher komme als die einzelne Meinung eines oder einiger weniger Kritiker.

Wolfgang Rosam, 47, seit 25 Jahren in der PR-Branche und Chef der Publico, stellte vergangenen Montag sein neues Projekt "Gourmet Club" vor: Ein vorerst im Internet und Ende des Jahres auch in Buchform existierender Restaurant-Guide, für den nicht anonyme Tester testen, sondern sich offen deklarierende Club-Mitglieder; die ihre Wertung per SMS abgeben; die mit einer speziellen Kreditkarte bezahlen; und denen Vorteile winken.

800 Restaurants sollen in der Endausbaustufe gelistet und nach Küche, Service, Keller, Ambiente und Preis / Leistung bewertet werden. Ein Jahr wurde bereits daran gearbeitet, "die Kampagne zur Euro-Umstellung war auch nicht mehr", so Rosam, aber Essen und Trinken sei eben sein Leben. Mit Gault Millau-Herausgeber Michael Reinartz hatte Rosam auch schon wegen des Guides verhandelt, man wurde sich aber nicht einig. Finanziert sei das Projekt jedenfalls schon bis Ende 2005.

DER STANDARD: Herr Rosam, im Herbst erscheinen nicht nur der "Gault Millau" und sein Herausforderer "A la Carte", sondern auch erstmals der neue "Michelin" für Österreich. Gibt es wirklich einen Markt für noch einen Restaurantführer?

Wolfgang Rosam: Der Markt für Restaurantführer ist sicher bereits gesättigt, aber wir haben eben ein komplett anderes Konzept: Wir wollen sozusagen eine Community von Ess- und Trink-affinen Menschen lancieren, auch die Vision der Expansion dieser Idee auf ganz Mitteleuropa. Das nicht zuletzt deshalb, weil der deutsche Markt für unseren einen Sponsor, T-Mobile, sehr interessant ist, Tschechien, die Slowakei und Ungarn für den anderen Sponsor, die Erste Bank.

Das, was der "Gourmet-Club" nämlich nicht sein soll, ist noch ein zusätzlicher Führer. Er soll eher eine Dialog-Ebene der Restaurants mit den wichtigsten Gästen sein - der "Gourmet Club"-Gast deklariert sich offen als Zeugnis-Verteiler - ein echter Demokratisierungsfaktor in der Bewertungsszene. Apropos Demokratisierung: Welche Voraussetzungen muss man dafür erbringen, um da mittesten zu können? Wolfgang Rosam : Es gibt da eine gewisse Erst-Selektion, unsere Sponsoren sprechen hier ausgewählte und Gourmet-affine Kunden an. Aber woher weiß eine Bank und ein Handynetz-Anbieter, ob ihre Kunden etwas vom Essen verstehen? Wolfgang Rosam : Die fragen diese Kunden ganz einfach, ob sie Lust darauf haben, im "Gourmet-Club" Mitglied zu sein und da mitzumachen. Und wer sich nicht fürs Essen interessiert, wird wohl nicht Mitglied werden. Und wie viele solche Gourmets gibt es Ihrer Schätzung nach in Österreich? Wolfgang Rosam : 10.000 werden es im ersten Schlag sein, 25.000 bis zum nächsten Frühjahr, nach drei Jahren sollten wir auf 40.000 sein, mehr seh' ich eigentlich nicht. Es wird eine Warteliste geben, in die sich jeder eintragen kann, wir schauen uns diese Leute dann an. Voting-System, bei dem jeder mitstimmen kann, wollte ich keines. Es gibt einen Verhaltenskatalog für unsere Restaurantkritiker, der sie darauf aufmerksam macht, dass sie auch eine gewisse Macht und Verantwortung besitzen. Neben der Möglichkeit, seine Gourmet-Kompetenz einzusetzen, sind es natürlich auch die Bevorzugungen von "Gourmet Club"-Mitgliedern, die locken. Wolfgang Rosam : So sollte das aber nicht sein. Von Restaurants, die bei uns getestet werden, verlangen wir, dass die Gäste mit Namen angesprochen werden und den bestmöglichen Tisch reserviert bekommen. Ob es ein Glas Champagner gibt oder ein zusätzliches Amuse Gueule, spielt keine Rolle, die Tester werden in diese Richtung auch gebrieft. Aber mir ist natürlich klar, dass wir da ein Tabu brechen. Wie sieht das aber nun mit Lokalen aus, die sich diesem Regulativ nicht unterwerfen und die die "Gourmet-Club"-Kreditkarte nicht akzeptieren wollen? Wolfgang Rosam : Die Lückenlosigkeit ist gewährleistet. Ein Beirat achtet darauf, dass fair bewertet wird, also vor allem die "wichtigen" Wirte. Nicht-Mitgliedschaft von Restaurants ist absolut kein Ausschließungsgrund. Wie begegnet man dem denkbaren Effekt, dass Gastronomen all ihre Stammgäste dazu vergattern, Höchstnoten zu smsen? Wolfgang Rosam : Nun, gewertet kann nur ein Mitgliedsbetrieb werden, bewertet nur von "Gourmet Club"-Mitgliedern mit ihrem Handy. Und wenn einer drei Mal täglich für ein Lokal votet, fällt das ja auf. Außerdem kontrolliert der Beirat ja dann auch hier, prüft die Plausibilität der Bewertungen. Clevere Wirte wird es sicher geben, aber wir sind gewappnet. (DERSTANDARD/rondo/25/06/04)