Österreich hat, bezogen auf die Einwohnerzahl, das drittgrößte Autobahnnetz der EU. Seit dem Jahr 1990 ist das Autobahn-und Schnellstraßennetz von 1.755 Kilometer auf mehr als 2.030 Kilometer gewachsen. Insgesamt wird Österreich von 107.000 Kilometer Straßen durchzogen. Dagegen ist das Schienennetz mit seinen 6.200 Kilometern mickrig - und es schrumpft: Seit dem Jahr 1990 um 150 Kilometer. Wer glaubt, Österreich vernachlässigt den Straßenbau, irrt gewaltig. Allein heuer werden 1,1 Milliarden Euro in den Aus- und Neubau von Autobahnen und Schnellstraßen gesteckt. Dazu kommen noch Investitionen in Bundes-, Landes- und Gemeindestraßen.

Fatale Verwechslung

Der Bau von neuen Straßen bringt mehr Verkehr. Spätestens seit zwanzig Jahren ist dies allgemein bekannt. Doch an Felix Butschek dürfte diese Erkenntnis spurlos vorüber gegangen sein. Entsprechend krause seine Schlüsse, die er zieht: Da der Straßenverkehr ohnedies steigt, solle das Wachstum nicht behindert werden. Genug ist ihm nicht genug. Er fordert noch mehr Gelder für den Straßenbau - und verwechselt wie so oft in Österreich Verkehrspolitik mit Baupolitik. Er will mehr Förderung für den Straßenverkehr und verschweigt, dass schon heute der Lkw-Verkehr nur einen Bruchteil der Kosten bezahlt, die er verursacht.

So machen Verkehrsabgase nachweisbar krank. Die Kosten für die vom Lkw-Verkehr verursachten Gesundheitsschäden müssen aber von der Allgemeinheit (sprich: Steuerzahler) beglichen werden. Auch die Reparatur von Umweltschäden wird der Allgemeinheit, nicht aber den Verursachern angelastet. Nicht die Frächter haben Grund zur Klage über exorbitante Kosten des Lkw-Verkehrs, sondern die Gemeinschaft der Steuerzahler.

Subventionen für den öffentlichen Verkehr

Gerne und oft wird von Subventionen für den öffentlichen Verkehr gesprochen. Über die Tatsache, dass der Straßenverkehr ein deutlich stärker subventionierter Bereich ist, wird der Mantel des Schweigens gebreitet. Die jährlich verursachten Gesamtkosten des Straßenverkehrs - also inklusive Umwelt- und Gesundheitskosten - beliefen sich im Jahr 2003 auf 14,1 Milliarden Euro. Demgegenüber stehen Einnahmen aus Steuern, Abgaben und Mauten in der Höhe von 4,4 Milliarden Euro. Die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben beträgt 9,7 Milliarden Euro und belastet die Allgemeinheit.

Der Gesamtkostendeckungsgrad des Straßenverkehrs betrug im Jahr 2000 in Österreich nur 32 Prozent, wie nicht der VCÖ behauptet, sondern die offizielle Wegekostenrechnung des Verkehrsministeriums zeigt. Dass gerade jene, die mehr Marktwirtschaft in allen Bereichen fordern, diese beim Lkw-Verkehr plötzlich als "existenzgefährdende Belastung der Transportunternehmen" sehen, ist einer der großen Widersprüche in der verkehrspolitischen Diskussion in Österreich.

Mehr Kostenwahrheit führt auch im Verkehr zu mehr Effizienz. Die von Butschek als Beispiel genannte Schweiz hat rechtzeitig Maßnahmen gesetzt, damit die Schiene nicht unter die Räder kommt. Die Schweiz hat den öffentlichen Verkehr modernisiert, ein generelles Nachtfahrverbot für Lkw erlassen und eine Lkw-Maut auf allen Straßen vor bereits dreieinhalb Jahren eingeführt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Der öffentliche Verkehr hat beim Personentransport in den vergangenen 20 Jahren zugelegt. Von der Erfolgsbilanz der Schweiz beim alpenquerenden Güterverkehr können die Anrainer entlang der Brennerautobahn leider nur träumen.

Die Schweiz hat es durch eine vernünftige Verkehrspolitik geschafft, dass 67 Prozent der Güter mit der Bahn über die Alpen transportiert werden. In Österreich hingegen werden nur 27 Prozent mit der Bahn transportiert und 73 Prozent auf der Straße!

Falsche Prioritäten

Dass die Straße der Schiene bei den Transportanteilen davonzieht, liegt neben der fehlenden Kostenwahrheit im Straßenverkehr auch an den Prioritäten beim Aus- bau der Schieneninfrastruktur. 81 Prozent der Infrastrukturinvestitionen fließen bei der Schiene in die Hauptstrecken. In die Regional- und Nebenstrecken werden nur 19 Prozent investiert.

Doch die Regionalbahnen sind sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr lebenswichtige Zubringer für die Hauptstrecken. Die Bahn kann beim Gütertransport gewinnen, wenn Betriebe verstärkt die Möglichkeit haben, direkt vom Betrieb auf die Bahn zu verladen.

Zum Vergleich: In den vergangenen zehn Jahren sind im Straßensektor 79 Prozent der Investitionen in die Bundes-, Landes- und Gemeindestraßen geflossen.

Hohle Worte

Damit blieb die von Politikern aller Couleurs immer wieder gepredigte Verlagerung der Güter von der Straße auf die Schiene ein Lippenbekenntnis.

Die Rechnung bekommen heute jene präsentiert, die entlang von Hauptverkehrsstrecken wohnen. Sie bezahlen doppelt: Mit ihrer Gesundheit und mit ihren Steuergeldern. Diese Menschen setzen ihre Hoffnung darauf, dass die Verkehrspolitik ihren Worten von der Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene auch Taten folgen lässt.

Sie haben die Hoffnung, dass sich die Träume der letzten Straßenbaufetischisten nicht erfüllen. (Der Standard, Printausgabe, 22.06.2004)

Autor: Wolfgang Rauh ist Infrastrukturexperte des Verkehrsclub Österreich (VCÖ).