"Das Fest des Bacchus" aus dem Zyklus "Die post-apokalyp-tische Reise" von Ramacher & Einfalt".

Foto: OÖ Landesmuseum
Und schon der Titel der Schau, "Andererseits: Die Phantastik", zeigt: Fesch illustrierte Jenseitsspekulationen jedweder Natur zahlen sich immer aus.


Linz - Die Fantastik: unendliche Weiten. Da lässt sich gut hinflüchten. Weil: Alles ist erlaubt. Weil: Wo sonst sind alle Realitätsprinzipien so grundlegend außer Kraft gesetzt? Und genau deshalb ist die Fantastik ein bisserl arg in Verruf gekommen. Weil einfach zu viele das mit der Flucht als praktisch begriffen haben. Die haben sich einfach gedacht: Gut, fantasiebegabt wie ich bin, mach' ich jetzt einmal einfach einen kleinen Kratzer in die Wirklichkeit, und flugs habe ich auch schon den Brotberuf gewechselt, gehe jetzt einfach nicht mit den anderen Kotelett-Grillen am Sonntag, sondern male mir einmal ein Monster aus.

Ein ganz ein schreckliches. Oder stelle das Paradies dar - urleiwaund, als Ort, an dem ganz schlaraffiaartig, in aller Üppigkeit, die totale Eintracht herrscht. Und schon habe ich mich abgehoben. Bin Kraft Kreativität jetzt ein Subversiver. Und also moralisch berechtigt, allgemeine Anerkennung zu beziehen.

Man sieht: Der Gedanke an die Fantastik taucht zunächst in der Pubertät auf, in jenen Tagen, in denen die Welt so unzugänglich, so unveränderbar erscheint, und übereifrige Talgdrüsen den Fluchtweg weisen. Was manch jugendlich erregten Umsturzwilligen schon den reaktionären Zug nehmen ließ.

Jedenfalls aber findet die Fantastik immer nur in der Darstellung statt. Und bietet in der Regel ein weitaus größeres Potenzial an Geborgenheit als trockene Sozialutopie. Und also steht die Fantastik ewig unter Kitsch-Verdacht, entpuppt sich das grotesk Gemeinte meist als Gartenzwerg, das manieristisch Angedachte gern als simpler Mangel an Fähigkeit, als schlicht pittoresk Geratenes. Das immerhin dazu taugt, Gleichgesinnte zu irritieren, wenn schon nicht an der großen Kultur-, dann zumindest an der privaten Lebensgemeinschaft zu rühren.

Eine ganze Reihe an Vorbildern für dilettantische Eskapismen hat Alfred Kubin in Wort (Die andere Seite) und Bild geschaffen. Andere Stereotypen, den Subversiven zu geben, lieferten Salvador Dalí und René Magritte. Sie gaben vor, wie eine anständig individuelle Traumwelt auszusehen und zu funktionieren hat: mindestens uhrenzerfließend. Und zudem noch so schwül und gnomenreich, wie das unzählige Darsteller vieler Jahrhunderte schon vorgegeben hatten.

An eine Zusammenschau der regen Traumbildproduktion, der Irritationsversuche und Geisterbahnentwürfe, der gewagten oder einfach nur passierten Metamorphosen wagte sich das Oberösterreichische Landesmuseum. Andererseits: Die Phantastik wurde die zweigeteilte Schau in der Landesgalerie und im Linzer Schlossmuseum getauft.

Und sie ist kein Versuch, den Ruf eines gern verfemten Genres zu retten. Sie stellt einfach fest: Es lebt. Das Bedürfnis nach kultiviertem Ekel, die Sehnsucht, an apokalyptischem Geschehen teilzuhaben, durch verwachsene Zwerge endlich vom Überdruss an der Wachwelt erlöst zu werden, durch irgendetwas Ekelerregendes zum Eigentlichen zu finden, ist ungebrochen. Wie eben auch keiner sich damit abfinden mag, dass das Unfassbare unfassbar ist, das Ungreifbare sich nicht streicheln, das Unsichtbare sich nicht sehen lässt. Und weil der elaborierte Künstler von heute all das nicht nur weiß, sondern auch zu berücksichtigen gelernt hat, ironisierte er es eben, um diesem Generalbedürfnis nachzukommen. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.6.2004)