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Ricarda Merbeth in der Rolle der Daphne an der Wiener Staatsoper.
Foto: AP/LILLI STRAUSS

Sie wird wohl kaum verneinen, dass es sich für sie momentan um eine produktive, spannende Zeit handeln dürfte. Dafür ist natürlich ihr Erfolg an der Staatsoper als Daphne verantwortlich. Aber auch die zurzeit laufende Europameisterschaft des runden Leders darf genannt werden - schließlich interessiert sich Ricarda Merbeth tatsächlich auch für Fußball.

Wie praktisch, dass gestern keine Daphne-Vorstellung an der Staatsoper zu bewältigen war. So wird die für ihr Rollendebüt in der selten gespielten Strauss-Oper gefeierte Sopranistin womöglich ihre ganze Aufmerksamkeit der traditionell "herzlichen" deutsch-niederländischen Rasenbegegnung geschenkt haben.

Wenn wir schon bei den Interessen der aus Chemnitz Stammenden abseits der Opernbühne sind: Merbeth, die Tochter einer Kantorin, schmökert sehr gerne in der Bibel, hält das Buch für eine extrem interessante Lektüre. Besonders die Bergpredigt und das Johannesevangelium.

Und eine ganz besondere Freude bereitet es ihr auch, am Klavier zu improvisieren. Die Voraussetzungen dafür hat sie, schon mit fünf begann sie unter Anleitung in die Tasten zu greifen. Das war einst im Bauern- und Arbeiterstaat, als die Mauer noch stand und bei Merbeth langsam der Wunsch heranreifte, Sängerin zu werden. Mit elf hatte sie dann erstmals Gesangsunterricht; und die erste Theatervorstellung, die sie sah, betraf den Zigeunerbaron.

Ab 1984 studierte sie Sologesang, und ab 1989 war sie in Magdeburg engagiert. Für das lyrische Fach. Während sie in den späten Neunzigerjahren nach Weimar wechselte, sang sie auch an der Wiener Staatsoper vor. Und daraus wurde dann mehr. Mittlerweile ist sie, die längst auch in Bayreuth gesungen hat, hier Ensemblemitglied, und sie fühlt sich gut aufgehoben. Hier konnte sie sich weiterentwickeln, meint sie, hier habe sie Vertrauen - auch zu Staatsoperndirektor Ioan Holender.

Der Opernherr mit dem sehr guten Gefühl für Stimmen bot ihr schließlich die heikle Partie der Daphne an. Nach kurzer Reflexion sagte sie zu. Dann folgte natürlich ein einjähriges Studium der Partie, mit der sie nun reüssierte.

Grundsätzlich kreist ihr Repertoire um Mozart, Strauss und Wagner, auch ist die Moderne im Interessenbereich der 38-Jährigen, die sich lieber Rollen anbieten lässt, statt diese einzufordern. So wird sie im Dezember auch bei der Wiederaufnahme von Alfred Schnittkes Oper Gesualdo dabei sein.

Natürlich gibt es auch Partiewünsche. Dazu gehören die Elsa in Wagners Lohengrin und Liu aus Puccinis Madame Butterfly. Privat ist sie zweifellos glücklicher als Liu. Kürzlich ist ihr Mann nach Wien gezogen. Was auch dazu führte, dass das Heimweh, das sie bisweilen plagte, einigermaßen verschwand. (DER STANDARD, Printausgabe 16.06.2004)