Wien - Die Republik verkauft die zur Privatisierung stehenden Bundeswohngesellschaften um offiziell etwa 1 Mrd. Euro an private Interessenten. Das hat der Ministerrat am Dienstag beschlossen. Die vier noch verbliebenen Unternehmen BUWOG, WAG, EBS und ESG werden an das so genannten Austro-Konsortium (Raiffeisen Landesbank OÖ, Immofinanz, Wiener Städtische, Oberösterreichische Landesbank und Oberösterreichische Versicherung) um 961 Mio. Euro abgegeben, sagte Finanzminister Karl-Heinz Grasser am Dienstagmittag bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz.

Vom Kaufpreis sind aber noch rund 150 Mio. Euro an Bundesdarlehen in den zu verkaufenden Gesellschaften abzuziehen, wurde bei der Pressekonferenz eingeräumt. Damit ergibt sich rechnerisch ein faktischer Verkaufspreis von etwa 850 Mio. Euro für alle fünf Wohnungsunternehmen.

Nachbesserungsrecht

Sollte das Gemeinnützigkeitsgesetz in den nächsten zehn Jahren verändert werden - und sich dadurch höhere Mieterlöse für die Käufer ergeben -, besitzt die Republik ein Nachbesserungsrecht. Das Land Kärnten übt das Vorkaufsrecht, das es auf die Villacher ESG besitzt, nicht aus, hat aber angekündigt, das Gespräch mit den Käufern zu suchen, "um die Kärntner Interessen zu wahren".

Nachsehen für CA Immo und Blackstone/conwert

Um die größte Wohnungs-Privatisierung der Zweiten Republik hatten sich zuletzt noch zwei weitere Konsortien bemüht und verbindliche Angebote gelegt: die CA Immo und eine Allianz aus der internationalen Investmentgruppe Blackstone und der österreichischen conwert. Die CA Immo war neben dem Austro-Konsortium als zweitbester Bieter zuletzt noch eingeladen worden, ihre verbindliche Offerte noch nachzubessern. Den Zuschlag erhielt dann aber das Austro-Konsortium.

Nachbesserungsklausel

Der nun erzielte Verkaufspreis von 961 Mio. Euro wird für vier früher gemeinnützige Gesellschaften bezahlt, eine fünfte, die WBG war von der Republik im April im Voraus an eine Wiener Eisenbahnerwohngesellschaft um 55 Mio. Euro verkauft worden. Mit dem Kauf haben das Austro-Konsortium bzw. die WBG-Käufer aber auch die Darlehen abgelöst, die der Bund an die Privatisierungskandidaten vergeben hatte. Diese Darlehen waren vor kurzem noch 360 Mio. Euro wert, sollen nach Angaben aus dem Finanzministerium heute aber lediglich mehr 150 bis 160 Mio. Euro wert sein. Der Kaufpreis soll in zwei Tranchen, eine im kommenden Herbst und eine zu Beginn nächsten Jahres fließen. Eine zweite Nachbesserungsklausel soll gewährleisten, dass im Fall eines etwaigen schnellen Weiterverkaufs das Finanzministerium an den Veräußerungsgewinnen partizipieren kann.

Finanzminister Karl-Heinz Grasser wertete den für die fünf Gesellschaften mit zusammen 62.500 Wohnungen erzielten Preis als Privatisierungserfolg nach einem "völlig transparenten Verfahren": Der Rechnungshof habe eine Spanne von 400 bis 600 Mio. Euro angegeben, ab dem sich der Verkauf für die Republik lohne, erinnerte Grasser.

Geld soll in Forschung und Bildung fließen

Der Verkaufserlös solle in zusätzliche Mittel für Forschung und Entwicklung (F&E) sowie in Bildungsinvestitionen gesteckt werden, sagte der Finanzminister. Da das Gemeinnützigkeitsgesetz für die aktuellen Wohnungsmieter weiter bestehe, hätten die Mieter keine Mieterhöhungen aus der Transaktion zu befürchten.

Thomas Marsoner von dem mit der Abwicklung betrauten Investmenthaus Lehman Brothers verglich den Deal mit einer vor kurzem in Berlin durchgeführten Privatisierung einer Wohnungsgesellschaft von etwa derselben Größe und mit vergleichbarem Schuldenstand der nun verkauften Unternehmen. Für die Berliner GSW seien nur 405 Mio. Euro gezahlt worden, "was dafür spricht, dass (bei uns, Anm.) ein guter Preis erzielt wurde." Die Rendite der Investition betrage für den Käufer auf Basis des Verhältnises EBITDA (Ergebnis vor Abschreibungen) zu Kaufpreis lediglich 4,1 Prozent, was ebenfalls für einen guten Preis spreche, sagte Marsoner.

Aufteilung

Die heute verkauften vier Bundeswohngesellschaften werden unter den Teilnehmern des Österreich-Konsortiums aufgeteilt. Die Immofinanz wird sich künftig um die rund 20.000 Wohnungen der Buwog kümmern, die Raiffeisenlandesbank OÖ, Wiener Städtische, Hypo OÖ und OÖ Versicherung werden sich der WAG und der EBS (Linzer Eisenbahner Gesellschaft) mit insgesamt rund 25.000 Wohnungen annehmen und die rund 13.000 Wohnungen der Villacher Eisenbahnergesellschaft (ESG) sind ein gemeinsames Engagement aller Mitglieder des Konsortiums, teilt der Konsortialführer, die RLB OÖ mit.

Laut RLB OÖ-General Ludwig Scharinger werde damit die regionale Verantwortung wahrgenommen. Die Gruppe verfüge nicht nur über das entsprechende Know-how und die Strukturen, um die Mieter der österreichweit 58.000 Wohnungen optimal betreuen zu können, sondern sei durch ihre Zusammensetzung vor allem in der Lage, die Verantwortung vor Ort wahr zu nehmen. "Das ist wichtig, um den Mietern dauerhaft Sicherheit geben zu können", so der Generaldirektor der RLB OÖ, Ludwig Scharinger, am Dienstag. Nach früheren Aussagen will Scharinger die nun erworbenen Wohnungen nicht verkaufen.

"Mittelfristig" kein Verkauf

Immofinanz-Vorstandschef Karl Petrikovics wollte gegenüber der APA spätere (Teil-)Verkäufe nicht grundsätzlich ausschließen, sagte aber, sein Unternehmen wolle die Buwog "mittelfristig" auf jeden Fall behalten. Wie viel die Buwog die Immofinanz letztlich gekostet habe, wollte Petrikovics nicht sagen. Die Finanzierung sei kein Problem, verwies Petrikovics auf die vor kurzem durchgeführte große Kapitalerhöhung seines Hauses. "Es hat sich gezeigt, dass wir gut getimt haben und damit gut vorbereitet sind."

Die Aussage von Verkäuferseite, wonach die Rendite für die Investoren bei nur 4,1 Prozent liege, wollte Petrikovics nicht kommentieren. "Ein Geschäft ist dann gut, wenn beide Seiten damit zufrieden sind", meinte der Immofinanz-Chef nur.

Der Privatisierungsprozess für die fünf Wohnungsgesellschaften läuft seit vergangenem, August, als erste Inserate für den Verkauf der fünf Wohngesellschaften geschaltet wurden. Von ursprünglich mehr als 20 Interessenten reduzierte sich das Verkäuferfeld auf zuletzt drei Interessenten (Austro-Konsortium, CA Immo, Blackstone/conwert), die nach der so genannten Due Diligence-Prüfung ein verbindliches Angebot gelegt haben.

Die verkauften Gesellschaften (inklusive WBG) verfügen über ein Portfolio von ca. 62.500 Mietwohnungen und über 5,1 Mio m2 unbebautes Land sowie etwa 400 Gewerbeimmobilien und ca. 23.000 Parkplätze. In ihren Wohnungen leben etwa 170.000 Menschen.

Grasser will nie von zwei Milliarden Euro gesprochen haben

Finanzminister Karl-Heinz Grasser stellte bei der Vorstellung der Transaktion am Dienstag in Abrede, jemals davon gesprochen zu haben, aus dem Verkauf einen Barwert von 2 Mrd. Euro erzielen zu können.

Laut zahlreichen Medienberichten hatte Grasser im Oktober 2001 im Rahmen seines Abbauprogramms für Bundesschulden in Höhe von 100 Mrd. S, dezidiert gemeint, "25 bis 30 Mrd. S" aus dem Verkauf der Bundeswohnungen lukrieren zu wollen. Beim Verkauf von Wohngesellschaften, die mit hohen Schulden belastet wären, seien eben geringere Erlöse zu lukrieren, als bei der Veräußerung schuldenfreier Assets, argumentierte Grasser am Dienstag sinngemäß.

Die fünf verkauften Bundeswohngesellschaften wurden nach den offiziellen Angaben von heute mit einem Schuldenstand von 1,44 Mrd. Euro verkauft, weitere (nominelle) 360 Mio. Euro an Verschuldung gegenüber dem Bund werden mit dem Verkauf praktisch gestrichen. Die aus den Gesellschaften lukrierten Dividenden der Jahre 2001 bis 2003, die Grasser unter "Verkaufserlös" subsummierte, betrugen in den Jahren 2001 bis 2003 187 Mio. Euro. Diese hohen Entnahmen waren möglich geworden, nachdem die Gesellschaften im April 2001 ihren Status als gemeinnützige Gesellschaften verloren hatten. (APA)