Wien - Robert Quittas stets am Leben historischer Figuren aufgesponnene einstündige Theaterabende sind einmalige Rätsel, niemals zur Gänze lösbare Wunderwerke, die uns einmal besser, einmal schlechter gefallen, ob ihrer zeitlosen Ursprünglichkeit aber immer faszinieren. Es sollte ein Geheimnis bleiben, woraus Quitta sein Theater bastelt. Für eine Koproduktion mit den Wiener Festwochen ist er diesem ungeschriebenen Gesetz untreu geworden und schnappte sich ein Stück. Von Jean-Baptiste Molière.

In Le malade imaginaire/ Der eingebildete Kranke rinnen Leben und Werk des französischen Komödiengroßmeisters in eins: Molière stirbt als Hauptdarsteller seines eigenen Stücks nach der vierten Vorstellung infolge eines Blutsturzes. Nicht nur aufgrund dieser tragischen Koinzidenz zweifellos ein Fall für Quitta.

Er hat die eigentliche Fabel vom Hypochonder Argan (der sich zum Leidwesen der Tochter partout einen Arzt zum Schwiegersohn wünscht) ausgelassen und sich ganz auf den ursprünglichen künstlerischen Rahmen der Comédie-Ballet konzentriert: Auf die zum Zweck der Darbietung bei Hofe unerlässlichen Elemente wie Prolog und Zwischenspiele, in denen die erst kürzlich wiederentdeckte Barockmusik von Marc-Antoine Charpentier erklingt - hier durch ein bloß halbbegnadetes Helios Ensemble.

Während Wolfgang Lesky als eingebildeter Kranker sich auf der unerbittlichen Suche nach diversen Tumoren und Lymphknotenschwellungen aufopfernd im Argan-Stuhl wälzt, tänzeln geradezu erbaulich im Hintergrund die Faune und finden tippelnd Hirte und Hirtin zueinander. Das ist schön, nur dann beginnt das Dilemma von Tempo und zwangsläufiger inhaltlicher Leere: Argan studiert Beipackzettel oder forscht im Gesundheitsbrevier nach unaussprechlichen Symptomen. Und danach, ob nicht eines davon doch irgendeinen Morbus bewirken könnte.

Dabei bleibt das angestrebte antike Ideal einer Verschmelzung der Künste - Theater, Ballett und Musik - uneingelöst. Die Teile stehen voneinander ab, sogar die witzige Pulcinella-Sequenz bleibt - trotz all dieser wahnvollen Verquickungen - öd für sich. Der Theatermann Quitta kann zweifellos Blitze schlagen, für ein Reißbrettstück fehlt ihm hier aber das Geschick. (DER STANDARD, Printausgabe, 11.6.2004)