Sollen sie nun dem Kronberger ihre Stimme oder dem Mölzer ihre Vorzugsstimme geben? Freiheitlichen Wählern, die sich mit Europa schon schwer genug tun, wird es auch von ihrer Partei nicht leicht gemacht. Den einen hat die FPÖ in der Hoffnung, die Wähler mit einem halbwegs zivilisierten Antlitz einzuschläfern, auf den ersten Listenplatz gesetzt, den anderen auf den dritten - in der Erwartung, die Stammwähler mit einem Rechtsaußen gleichzeitig zu beruhigen und mit dessen frisch ausgebrochenem Österreich-Patriotismus zu amüsieren. Die wissen schon, wann ein Notfall von nordischer List vorliegt.

Der Zwiespalt zieht sich durch die beiden Wochenblätter, in denen sich freiheitliche Gesinnung auf mehr oder weniger erdige Weise artikuliert, wobei Andreas Mölzer als Fossil eines völkischen Beobachters vor Kronberger den Vorteil staatlicher Presseförderung als einer Art Privatzuwendung genießen konnte, erhöht er sich doch in seiner Postille "Zur Zeit" in anschwellendem Eigenlob zu einer Lichtgestalt des Dritten Lagers. Aber es bleibt der schwarz-blauen Regierung ja unbenommen, den dafür verschleuderten Steuergeldern nachzutrauern.

Nicht weniger als elfmal stößt man in der dieswöchigen Ausgabe auf das Antlitz Mölzers, der künftig auch im EU-Parlament allein gegen die Linke kämpfen will, ein österreichischer Patriot für Europa. Darüber, was ein solcher sei, gehen in den Jubeladressen, die "Zur Zeit" abdruckt, die Ansichten ein wenig auseinander. Sagt etwa ein Herbert Haupt von Mölzers Liebesleben, Andreas Mölzer lebt die Liebe zu unserer Heimat - für ihn gehen die Interessen Österreichs über alles, so schreibt daneben ein Heinz Thomann schon glaubwürdiger: Andreas Mölzer scheute sich nie, für seine Ideologie auch offen einzutreten, wofür man besagte Scheu kaum bräuchte, wenn es sich dabei um die Ideologie eines österreichischen Patrioten und nicht um die eines FPÖ-Urgesteins handelte.

Herr Thomann erklärt uns das so: Seit in Jörg Haider der Machtpolitiker erwachte . . ., wurden nicht nur ideologische Grundsätze seiner Partei verleugnet, . . . es kamen auch viele jüngere, ideologielose Menschen ins Boot . . . Aber die nationale Basis dieser Partei war stark genug. Dass sie eine deutschnationale ist, ist ebenso gewiss wie: Aus diesem Lager kommt auch der ehemalige Chefideologe der FPÖ.

Aber fair wie ein Chefideologe nur sein kann, gibt es auch ein (1) Foto von Kronberger - weit hinten im Blatt, neben einem Seitenblick auf einen Urnengang für Busen & Po und umflossen von einem Text, in dem der Spitzenkandidat gefragt wird, wann er endlich den Preis des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes für seine Dissertation zurückzugeben gedenke - nun, da er FPÖ-Mitglied sei.

Da ist die "Neue Freie Zeitung" schon ausgewogener. Dort steht man mit zwölf Fotos stramm hinter dem parteioffiziellen Spitzenkandidaten, ohne indes die nationale Basis - immerhin vier Fotos von Mölzer - zu vernachlässigen. Auf raffinierte Weise deutet die "NFZ" aber doch an, welche Alternative den Freiheitlichen mit den beiden Kandidaten serviert ist. Andreas Mölzer: Vorzugsstimmen-Wahlkampf um freiheitliche Kernwähler-Stimmen, lautet das eine Angebot, und gleich darunter: Hans Kronberger - Eine saubere Wahl. Da hat es der nationale Wähler leicht, er braucht sich nur zwischen blauer Sauberkeit und blauem Kern zu entscheiden.

Schade natürlich, dass der saubere Kandidat den nationalen Chefideologen im Stich lässt, wenn der allein gegen die Linke kämpft. Und dafür, der Parteiführung deutlich zu machen, dass man nicht nur Quereinsteiger aus anderen politischen Lagern in Mandatsfunktion haben will, wo doch gerade so etwas wie eine Reintegration dieses Dritten Lagers im politischen Umfeld der FPÖ stattfindet.

Und diese Chance gilt es zu nutzen. Die Spitzenkandidaten bei den Europa-Wahlen, der Umweltpolitiker Kronberger und der ehemalige sozialistische Parteisekretär Grossmann, sind gewiss jeweils ein Gewinn für die FPÖ. Sie haben aber mit dem Kernbereich der freiheitlichen Gesinnungsgemeinschaft so gut wie nichts zu tun. Die breite Unterstützung der Vorzugsstimmenkampagne für Andreas Mölzer, schreibt Andreas Mölzer, der diese Kampagne in "Zur Zeit" kanalisiert, ist also gewiss ein Wink mit dem Zaunpfahl gegenüber der Parteispitze, dass auch der weltanschaulich motivierte, aus dem Dritten Lager kommende Kernbereich der FPÖ zurück in den politischen Gestaltungsbereich der politischen Landschaft des Landes und dabei natürlich in erster Linie der freiheitlichen Partei drängt.

Ob die FPÖ den Wink versteht und ein derartiges Übermaß an österreichischem Patriotismus noch eine Woche lang aushält? (DER STANDARD; Printausgabe, 8.6.2004)