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Wien - Willkommen in der Frühpension: Jahrzehntelang sind Manfred (Karl-Fred Müller), Jürgen (Harald Warmbrunn) und Schultze (Horst Krause) unter Tage ihrer Arbeit nachgegangen. Jetzt drückt man ihnen zum Abschied scheußliche Lämpchen aus Salzkristallen in die Hand, und es winkt die Aussicht auf einen Lebensabend, dessen Eckpunkte Wohnzimmer, Stammtisch und Schrebergarten heißen.

Eines Nachts hört Schultze, den die neu gewonnene Freizeit nicht mehr schlafen lässt, im Radio eine seltsame Musik. Jemand spielt offenkundig Ziehharmonika, aber was er dem Instrument entlockt, das hat so gar nichts mit jener Polka gemein, die Schultze selber Jahr für Jahr auf der Bühne des örtlichen Musikvereins zum Besten gibt. Schultze dreht das Radio wieder ab.

Aber was er gehört hat, lässt ihn nicht mehr los. Bald darauf beginnt er, die fremdartigen Klänge, Cajun- und Zydeco-Stücke aus dem Süden der USA, selber auszuprobieren und - mit mehr oder weniger Erfolg bei der jeweiligen Zuhörerschaft - öffentlich vorzutragen. Bis er es jedoch selber an den Herkunftsort der Musik schafft, gilt es, noch einige Hürden zu überwinden.

Schultze gets the blues, das mehrfach ausgezeichnete Spielfilmdebüt von Michael Schorr, der vorher zahlreiche Dokumentationen verantwortete, macht seine Geschichte einer ungewöhnlichen Leidenschaft im besten Sinne hörbar: Die Tonspur ist freigeräumt von Off-Musik, von musikalischem Beiwerk. Umso deutlicher sind dann jene Momente, in denen musiziert oder gesungen wird, in denen die Musik nicht nur dem Helden in die Beine und in die Finger fährt.

Davon abgesehen bedient sich Schultze gets the blues nahezu dokumentarischer Bilder vom relativ ereignislosen, gleichförmigen Leben im Hinterland von Sachsen-Anhalt. Seine lakonische Grundhaltung erinnert ein wenig an die Arbeiten eines Aki Kaurismäki. Seine Helden sind allesamt ältere Herrschaften, wortkar- ge Zeitgenossen mit etwas schwerfälligen Körpern, und ihre Heldentaten kreisen um die Bewältigung des ungewohnten Alltags - noch ein Bier oder doch wieder mal angeln gehen?

Nicht alle (Neben-)Figuren sind dabei darstellerisch so geglückt wie der Titelheld, dem Horst Krause gewichtige Präsenz verleiht. Auch das Drehbuch erlaubt sich eigenartige Volten, und vor allem der US-Part der Erzählung ist mitunter allzu märchenhaft geraten. Trotzdem bleibt Schultze gets the blues ein grundsympathischer Film, dem man schließlich auch alle seine Unebenheiten gerne nachsieht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7. 6. 2004)