Heftige Reaktionen hat ein Bericht des Berliner Tagesspiegel ausgelöst, wonach das britische Mobilfunkunternehmen Vodafone nach der Übernahme des Mannesmann-Konzerns Milliardenabschreibungen vornehmen will. Wie ein Sprecher von Vodafone dem Blatt bestätigte, macht der Konzern Teilwertabschreibungen geltend, sodass dem Fiskus bis zu 50 Milliarden Euro entgehen würden und das Unternehmen mehrere Jahrzehnte keine Steuern mehr zahlen müsste.

"Unglaublicher Skandal"

Das Bundesfinanzministerium drückte sich noch am nobelsten aus: "Der gesamte Vorgang mutet sehr befremdlich an", erklärte ein Ministeriumssprecher am Wochenende. Drastischer formulierte es der Vorsitzende des Bundestags-Wirtschaftsausschusses, der SPD-Politiker Rainer Wend: "Dass die Mannesmann-Übernahme nach der 30-Millionen-Euro-Abzocke durch Herrn Esser jetzt auch noch auf Kosten der Steuerzahler finanziert werden soll, ist ein unglaublicher Skandal." Der SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Martin Schulz, sprach von "Kasino-Kapitalismus".

Vodafone hatte Mannesmann Anfang 2000 nach einer für Deutschland bislang beispiellosen Übernahmeschlacht auf dem Höhepunkt des Börsenbooms für 200 Mrd. Euro übernommen - zu einem laut Experten überhöhten Preis. Die Mannesmann-Aktionäre hatten Vodafone-Aktien im Gegenwert von 353 Euro pro Mannesmann-Aktie erhalten. Später sei das Mannesmann-Aktienpaket von einer Luxemburger Vodafone-Tochter für 146,9 Mrd. Euro an die deutsche Vodafone GmbH verkauft worden, was einem Kurs von 309 Euro entspreche, so der Tagesspiegel.

Abschreibungen

Ein Jahr später habe die deutsche Vodafone-Tochter den Kurs auf nur noch 200 Euro taxiert und bereits entsprechende Abschreibungen vorgenommen. Dies entspreche einem Buchwert von 50 Milliarden Euro. Den Verlust wolle Vodafone nun mit angefallenen Gewinnen verrechnen. Bisher hat Vodafone aber noch keinen endgültigen Steuerbescheid. Vodafone könnte auf diese Weise einen Teil der Kosten dieser Übernahmeschlacht auf den deutschen Steuerzahler abwälzen. Das Finanzministerium kündigte am Wochenende genaue Betriebsprüfungen an.

Wegen Abfertigungen in Millionenhöhe, die nach der Übernahme als Entschädigung an Mannesmann-Vorstände geflossen sind, stehen derzeit frühere Manager und Aufsichtsräte wie Exfirmenchef Klaus Esser und Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann in Düsseldorf vor Gericht. Die Anklage wirft ihnen Untreue bzw. Beihilfe zur Untreue vor. Allein Esser hat rund 30 Mio. Euro erhalten - wegen der starken Kurssteigerungen. Die Aktie stieg aber erst nach der Vodafone-Offerte rapide. (Alexandra Föderl-Schmid aus Berlin, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 07.06.2004)