Konsterniert ob des Ablaufes einer Konzerttour durch die USA 2002 wirkt Schorsch Kamerun, Kopf der deutschen Goldenen Zitronen. Wollte das Publikum doch von der altgedienten Idee, in Songs wie Osama Punk-Akkorde und Text durch ein polit-intellektuelles Konzept zu vernüpfen, wenig wissen, weil es primär für den eher Zirkusfreak-artigen Hauptact Wesley Willis - schizophren, schwarz, schwergewichtig und stabil gemanagt - gekommen war. Jörg Siepmann dokumentierte in seinem Debütfilm Golden Lemons Missverständnisse und produzierte ein neues: Die Band hasste das auf der Berlinale'03 beklatschte Werk und wollte es sperren.

Foto: Topkino

Das wäre schade gewesen, liegt doch ein besonderer Reiz dieses Road-Movies gerade in der tiefen Verlorenheit und zunehmenden Nörgeligkeit der eher verwöhnt wirkenden Deutschen angesichts der harschen Arbeitsbedingungen und dem abgehärteten Ethos, mit dem etwa das mitreisende US-Duo Grand Buffet das alles bewältigt: sehenswerte Entglorifizierung eines Tournee-Alltags, eine Anti-Idylle mit beträchlichem Charme und lakonischen Witz.

Ausführlicheres siehe in der Kritik von Dominik Kamalzadeh
'Die sauren Zitronen in den USA'

Foto: Topkino

Den geschärften Blick auf Eigenarten der Arbeitswelt, wie er aus der Spottlust progressiver Studentenzirkel entsteht, aber nur viel zu selten den langen Weg in Drehbücher schafft, zeichnet die Komödie Secretary des New Yorker Regisseurs Steven Shainberg aus, die mit Zuspitzung von Anachronismen arbeitet:

In einem um Zeitlosigkeit bemühten Büro ist das Verhältnis eines Krawatten tragenden Anwalts und seiner Kaffeschale tragenden Sekretärin von Beginn an eines von Machtausübung und Unterwerfung - und das eskaliert dann ohne naseweise Drehbuchtricks.

Foto: Polyfilm

Zwei darstellerische Gütesiegel des jungen Hollywoods, James Spader und Maggie Gyllenhaal, tragen das ihre dazu bei, dass die fragile wie kammerspielhaft verdichtete Romanze aus Sadisten und Masochistin in ihrer balancierten Ausformulierung der spekulativen Grundidee Paroli bietet.

Ausführlicheres siehe in der Kritik von Dominik Kamalzadeh
'Lust auf jeden Tippfehler'

Foto: Polyfilm

Keine grundsätzlichen Zweifel an überlieferten Verhältnissen erlaubt sich hingegen der starbesetzte französische Kassenerfolg Die Herzen der Männer / Le coeur des hommes: Unter der Regie von Marc Esposito helfen einander Bernard Campan, Gérard Darmon, Jean Pierre Darroussin und Marc Levoine in Art einer Männergruppe bei ihren Macken der Lebensmitte. Das Schauspiel ist sehenswert, die Stoßrichtung neokonservativ wie bei ähnlichen Werken aus den verkaterten Mitt-70er-Jahren.

Foto: Cinestar

Zweimal Trashkino: Tom Jane spielt Frank Castle alias The Punisher, John Travolta seinen Widersacher Howard Saint in der Umsetzung eines Marvel-Comics, das nicht auf exzentrische Superkräfte setzt, sondern auf vorstädtische Rachegefühle. Regisseur Jonathan Hensleigh war bisher Autor gewesen, profiliert etwa durch Die Hard 3 und Armageddon.

Foto: Columbia

Einen simplen Genre-Mix probiert der aus dem deutschen TV kommende Jakob Schäuffelen mit Abgefahren - Mit Vollgas in die Liebe: Den Teen-Romanzen-Kern bildet Felicitas Woll als junge Mechanikerin mit Träumen von Paris-Dakar und dem Fahrer eines blauen Cobra-Cabrios, um sie qualmen ironiefrei die Gummis und röhren die Motoren bei von Groupies umringten heimlichen Straßenrennen.

österreichweit
abgefahren-derfilm.de

Foto: Concorde

180-Grad-Schwenk zu einem Hinweis: Dem kanadischen Film-Avantgardisten, Kurator und Publizisten Mike Hoolboom widmen sixpackfilm und DV8-Film im Top-Kino am 14. und 15.6. eine Werkschau, die mit vielgestaltigen Bearbeitungen oft vorgefundenen Materials bekannt macht - eher frei im Schnitt, eher dominiert von einer Voiceover-Stimme, die um Fragen nationaler und sexueller Identität kreist. Mexico etwa erscheint als filmische Reise, die in der Art eines Jojo dennoch ohne Unterlass in Hoolbooms Heimatstadt Toronto zurückpendelt.

Foto: Sixpack

Der 55-Jährige, zu dessen bekannte Werken die abendfüllende Biographie von Tom Chomont (berüchtigter Videokünstler, Schlüsselfigur der New Yorker Randkultur, li.) wie der Kurzfilm Frank's Cock zählen, ist Aktivist in schwul/queerer Identitätspolitik und in Aids-Fragen (metaphorisch/real) - und bei seiner Personale als Gast zugegen.

Ausführlicheres siehe in einem Text von Isabella Reicher
'Liebe, Krankheit und Erinnerung'

Foto: Sixpack

Weiters geht das Vienna Independent Short Film Festival in sein Finale am Sa, 12. (mehr unter www.viennashorts.com), ...

... startet am Mi, 16., 9:00 die Weltpremiere von Mary Ellen Carrolls 24-Stunden-Film Federal im Topkino (www.topkino.at), ...

... läuft im Rahmen des Ladyfest Wien 2004 ein dichtes Programm vom Do, 10. bis So, 13. im Schikaneder Kino (Grafik; Details unter ladyfestwien.org), ...

Grafik: Ladyfest

... stellt am Mo., 14.6., 19:00, im Kulturzentrum depot Gerald Raunig das von ihm herausgegebene Buch Bildräume und Raumbilder. Repräsentationskritik in Film und Aktivismus im Gespräch mit Filmmuseums-Direktor Alexander Horwath vor (mehr unter www.depot.or.at), ...

... zeigt das HTU-Cinestudio (14., 15., 16., 18.6., 19:00-21:45) Vergessene Opfer, das siebenteilige Oral-History-Video- Projekt von Tristan Sindelgruber und Angelika Schuster zu nach 1945 stigmatisierten Opfern des NS-Regimes in einem Österreich, das oft ohne Entschuldigung und Wiedergutmachung verdrängen wollte (Im Bild Jugendfürsorge, insgesamt Empfehlung - genaues unter www.cinestudio.at), ...

Foto: Cinestudio

... um mit einem Hinweis auf das Österreichische Filmmuseum abzurunden. Auf zwei (13.+20.) Sonntag-Nachmittagstermine mit nicht-touristischen Wien-Bildern - bei Wiener Linien. Auf die bis 20.6. laufende Retrospektive Peter Lorre - im Bild Der weiße Dämon / Rauschgift (Deutschland 1932; 16.6., 19:00); mehr in einem Text von Bert Rebhandl 'Mann ohne Muttersprache'.

Details, Programm: Filmmuseum.at

(hc.leitich)

Foto: Filmmuseum