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Das Lager Tine an der Grenze zwischen Sudan und dem Tschad, in dem rund zehntausend Flüchtlinge bei Tempe- raturen von mehr als 40 Grad leben.

Foto: REUTERS/ HO
Wien - "Das humanitäre Drama im Sudan ist derzeit das größte der Welt. Weder im Irak noch in den Palästinensergebieten oder in Afghanistan ist die Lage so schlimm, obwohl uns die Kämpfe dort große Sorgen machen. Aber dort verhungert niemand, es gibt wenigstens medizinische Grundversorgung", meint der Norweger Jan Egeland, stellvertretender UN-Generalsekretär für humanitäre Angelegenheiten, zum STANDARD.

"Wenn menschliches Leben überall gleich viel wert ist, dann hat der Sudan unter allen unseren Aufgaben Priorität", betont der Norweger, der diese Woche Österreich besuchte: "Allein in der Darfur-Region gibt es laut unseren Zahlen rund eine Million Vertriebene. Dazu kommen mindestens 100.000 Menschen, die bereits in den Tschad geflüchtet sind. Vor dem UN-Sicherheitsrat habe ich bereits auf die ethnischen Säuberungen hingewiesen, die dort stattfinden".

Christine Decker von der Caritas International kann die Einschätzung Egelands nur bestätigen. Via Satellitentelefon berichtete die Helferin dem STANDARD aus der Grenzregion zwischen dem Sudan und Tschad, dass eine Fläche so groß wie Deutschland praktisch menschenleer sei.

Hunderttausende Menschen seien mit Gewalt von den arabischstämmigen "Janjaweed"-Milizen (ausgesprochen "Dschandschaweed", übersetzt "die Berittenen") und der sudanesischen Armee vertrieben worden, weil sie eine schwarze Hautfarbe hätten. "Diese Reitermilizen gehen immer im Verbund mit der Armee vor, berichten alle Flüchtlinge", erzählt Decker. Das Regime in Khartum habe die Reitermilizen in die Armee integriert.

Den Menschen in der Region sei durch Plünderungen die Lebensgrundlage entzogen worden, die Felder zerstört, die Brunnen zugeschüttet, meint Decker. Allein schon deshalb müssten sich die Flüchtlinge auf einen monatelangen Aufenthalt im Tschad einrichten, bei Temperaturen nicht unter 40 Grad Celsius.

Nun starte ein Rennen gegen die Zeit, um Menschenleben zu retten: Die Regenzeit beginne in einigen Tagen, betonen Decker und Egeland unabhängig von einander. Dann ist die Region schwer passierbar, die Transportmöglichkeiten sind dramatisch erschwert, die Kosten explodieren. In Grenznähe, dort wo die größten Flüchtlingslager aufgebaut wurden, könne man keine Nahrungsmitteldepots anlegen. Die Hilfsorganisationen fürchten, dass solche Depots von den Milizen geplündert werden könnten.

Trotzdem sei die humanitäre Hilfe noch nie so schnell, effektiv und zielgerichtet wie heute, betont der stellvertretende UN-Generalsekretär Egeland: "Sagen Sie den österreichischen Steuerzahlern, dass ihr Geld noch nie besser angelegt war."

Egeland hofft, dass Österreich mehr Geld für Nothilfe zur Verfügung stellen kann: "Laut Statistik bezahlt Österreich, eines der wichtigsten und reichsten Länder in Europa, weniger als der afrikanische Kleinstaat Malawi. Österreich liegt nur an 21. Stelle der Spendernationen, Irland bezahlt zwanzigmal mehr als Österreich." Innenminister Ernst Strasser will sich nun dafür einzusetzen, dass mehr Geld aufgebracht wird. (DER STANDARD, Printausgabe, 22./23.5.2004)