Ein anachronistisches Bild für Überwachung: ein Schäferhund aus Deborah Stratmans "In Order Not to be Here", einer Reise durch suburbane Räume der Angst

Foto: Filmmuseum
Wien - Die Nacht macht aus vertrauten Räumen solche der sublimen Bedrohung. Statische Einstellungen von leeren Parkplätzen, Shoppingmall-Interieurs oder auch Fassaden wie Innenansichten von Mittelklasseheimen arrangiert die US-Experimentalfilmerin Deborah Stratman in In Order Not to be Here zu einem unheimlichen Rundgang durch die Wahrzeichen der amerikanischen Vorstadt.

Durchbrochen werden diese Aufnahmen mitunter von aus Helikoptern gefilmten Bildern delinquenter Flüchtiger, aber auch sonst dominiert hier eine Atmosphäre der Überwachung: Der entleerte Raum, in dem bloß die Firmenschrifttafeln unaufhörlich leuchten, erzählt von Angst - die Stratman auf der akustischen Ebene noch schürt -, dem Rückzug ins Private und von Sicherheit, die sich eben nur über Kontrolle einstellt.

Infame Bilder. Im Kino der Kontrollgesellschaft lautet der Titel einer Filmreihe (bis 26. Mai) und eines Symposiums (14. bis 16. Mai), das der Kulturwissenschafter Ramón Reichert in Zusammenarbeit mit den Wiener Festwochen, dem Österreichischen Filmmuseum und Synema konzipiert hat. Stratmans Arbeit kommt darin die Position eines Endpunkts zu: Sie beschreibt ein Milieu der Kontrollgesellschaft, wie sie der Philosoph Gilles Deleuze skizziert hat, in dem Subjekte nicht mehr institutionell eingeschlossen sind, sondern sich offen bewegen, jedoch permanent erfasst werden.

Insgesamt versammelt die Reihe eine Fülle an Beispielen - von Spiel- und Dokumentarfilmen bis zu experimentellen Ansätzen -, in denen dem Modus der Überwachung, dem omnipräsenten Blick der Macht, eine bedeutende Funktion zukommt. Wobei die Bilder dieses Dispositivs in dem Sinne infam sind, wie sie Leben festhalten, "die sind, als ob sie nicht existiert hätten, Leben, die nur vom Zusammenstoß mit einer Macht überleben" (Michel Foucault).

Im Auge der Macht

Marginale Existenzen mit marginalen Delikten, wie sie etwa die Videokamera in Michael Kliers Der Riese zeigt: Darin werden die idiotischen Überwachungskamerabilder, die etwa minutenlang ein Boot auf einem See mitverfolgen, in eine musikalische Ordnung überführt, derart mit Bedeutung aufgeladen. Bisweilen passiert es dann doch, dass ein Mensch ins Visier gerät, der Porzellanteller stiehlt, womit der Modus der sozialen Kontrolle offensichtlich wird.

John Hustons lange Zeit verbotener Auftragsfilm Let There be Light bewegt sich an einer anderen Schnittstelle: Sein Fokus auf traumatisierte Soldaten des Zweiten Weltkriegs, die über Hypnosetechniken "geheilt" werden, sollte nutzbar gemacht werden, die gelungene Wiedereingliederung in die Gesellschaft veranschaulichen. Die Bilder der neurotischen Veteranen waren jedoch zu stark, zu infam: Sie widersprachen derart vehement dem offiziellen Diskurs, dass sie wieder zurückgezogen wurden.

Verschwörungsfilme wie The Conversation, Enemy of the State oder The Truman Show internalisieren meist diesen Blick, wenden ihn zur Paranoia und stürzen die Hauptfigur in ein interpretatorisches Dilemma - mit unterschiedlichem Ausgang. Ob Überwachungsstaat, multinationales Unternehmen oder Reality-TV: Im heroisch-fatalen Widerstand gegen den allsehenden Anderen versucht sich das Subjekt hier noch einmal zu behaupten.

Arbeiten von Harun Farocki ( Die Bewerbung ), die Videodokumentation Züri brännt oder die Kurzfilmkompilation Gegenbilder , die 8-mm-Arbeiten aus der DDR abseits der Staatskunst versammelt, sollen ein Gegengewicht im Programm darstellen: Inwieweit jedoch etwa mit letzteren, subjektivistischen Ansätzen bereits eine neue, wirksame Waffe vorliegt, gilt es noch zu klären. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.5.2004)