"Linux auf dem Desktop" – so lautet das Motto der diesjährigen Linuxwochen vom 7. Mai bis 13. Juni. Während dieser Zeit macht die Linux-Karawane unter anderem in Linz, Krems und Wien Halt.

Der WebStandard hat Thomas Warwaris, Bernd Petrovitsch und Christian Mock – Mitorganisatoren der diesjährigen Linuxwochen – zu einem E-Mail-Interview gebeten.

WebStandard: Momentan ist allerorten ein deutliche Steigerung des öffentlichen Interesses am Thema "Linux am Desktop" zu bemerken, inwiefern hat sich dieses auch bei der Organisation der Linuxwochen bemerkbar gemacht?

Thomas Warwaris: Dieses Interesse ist darauf zurückzuführen, dass Freie und Open Source Software immer weitere Verbreitung auf Desktops findet. Das ist ja nicht ungewöhnlich und in anderen Bereichen – Beispielsweise der Maschinensteuerung – längst passiert.

Was den Desktop jedoch anders macht ist zum einen, dass die Veränderungen dort sichtbar sind und dass bei Desktopsystemen, im Gegensatz zu den anderen Bereichen der EDV, ein Softwarehersteller ein de-fakto Monopol besitzt.

Diese Entwicklung war aber bereits seit drei bis vier Jahren vorgezeichnet und wir haben uns darauf eingestellt. Für uns war klar, dass es sehr wichtig ist, dieses Thema nüchtern anzugehen. Sie konnten die Angstreaktionen eines Monopolisten gegenüber Linux ja in den Presseberichten der letzten Zeit sehen. Für uns stand daher bei dem Thema "Linux am Desktop" im Mittelpunkt, weiter völlig unbegründete Berührungsängste abzubauen.

Bernd Petrovitsch: Das steigende öffentliche Interesse – sowohl von Firmen- wie auch von Behördenseite – hat dem ersten Tag, dem "Desktop-Day", den Schwerpunkt "Unternehmens-Desktop" beschert.

WebStandard: Wie sich auch am Programm der Linuxwochen zeigt, engagieren sich zunehmend große Konzerne im Umfeld Open Source / Linux. Wie stehen Sie zu den Befürchtungen von Teilen der Open Source Community, dass freie Software so zunehmend in Unternehmensabhängigkeit gelangt?

Thomas Warwaris: Wir denken das genaue Gegenteil ist richtig und die Befürchtung unterschätzt den Einfluss der Community bei weitem. Der Erfolg, den Unternehmen mit Freier Software erzielen, beweist wie gut dieses Modell funktioniert. Die Community selbst spielt als gesamtes längst in der selben Liga wie diese Großunternehmen. Das Beispiel von SCO Deutschland zeigt deutlich, dass die europäische Community die Versuche, Freie Software zu vereinnahmen, fast im Vorbeigehen, und mit katastrophalen Folgen für das betroffene Unternehmen, beendet.

Viel problematischer sind da die gerade laufenden Bestrebungen der Patentämter und der EU-Kommission die zu einem Kahlschlag in der europäischen IT-Industrie führen werden. Die Auswirkungen auf Freie Software sind zwar nicht ganz so katastrophal wie auf die österreichischen IT-Betriebe, stellen jedoch die Community vor neue, und eigentlich völlig überflüssige, Herausforderungen.

Hier arbeiten die politisch aktiven Teile der Community, in Zusammenarbeit mit Wirtschaftskammern und Vertretern von IT-Betrieben, bereits zusammen.

Bernd Petrovitsch: Freie Software (unter der GPL) kann nicht in Unternehmensabhängigkeit fallen. Schon eher könnte passieren, dass große Konzerne (und auch nicht sonstige Firmen) lediglich Marketingmäßig auf den Zug aufspringen, weil es "in" oder weil der Mitbewerb mit freier Software erfolgreich ist, und versuchen, ähnliche Begriffe zu prägen, die den Anschein von "open source" oder gar "frei" wecken sollen, aber in Wirklichkeit genauso proprietär ist wie typische kommerzielle Software.

WebStandard:Bei Linux-Veranstaltungen im Allgemeinen – und auch bei den Linuxwochen im Speziellen – fällt auf, dass der Frauenanteil unter den TeilnehmerInnen und den Vortragenden verschwindend gering ist. Woran glauben Sie liegt das, und gibt es Bestrebungen diese Männer-Dominanz offensiv zu durchbrechen?

Thomas Warwaris: Das liegt einfach daran, dass der größte Teil der Community aus der EDV kommt und damit natürlich die Geschlechterverteilung der EDV-Branche zugrunde liegt. Dass, gerade techniklastige, EDV-Jobs für Frauen traditionell aus vielen Gründen (Arbeitszeiten, Mobilität, ...) uninteressanter waren und sich dies erst langsam ändert, können wir nicht beeinflussen.

WebStandard: In welchen Bereichen sehen Sie die größten Herausforderungen für den Open Source-Desktop, um eine weitere Verbreitung zu erreichen? Gibt es zentrale Probleme, die für eine Erhöhung des Marktanteils noch ausgeräumt werden müssen?

Thomas Warwaris: Kurzfristig gibt es kaum Probleme, die sich dem Open Source-Desktop wirklich in den Weg stellen. Es ist völlig normal, dass neues erst einmal von den meisten argwöhnisch betrachtet wird. Genau dies gibt aber jenen, die bereits jetzt ihre Vorteile erkennen, einen Vorsprung.

Das Denken, dass es für Bürocomputer nur einen Softwarehersteller gibt wird uns vielleicht bald nur mehr als Mode der 90er Jahre in Erinnerung bleiben.

Bernd Petrovitsch: Es muss bei den Entscheidern das Bewusstsein geweckt werden, dass Interoperabilität der Applikationen (unabhängig davon, ob eine Applikation selber freie oder proprietäre Software ist) auf Basis definierter und frei verfügbarer Standards das entscheidende Mittel des Kunden ist, auf Anbieterseite Wettbewerb zu erzeugen und damit davon mittelfristig zu profitieren. Konkret bedeutet das, dass alle Dateiformate, die von den Applikation gelesen bzw. geschrieben werden und alle Protokolle, die zwischen Applikationen ablaufen, sowohl syntaktisch als auch semantisch vollständig definiert werden. "Frei verfügbar" bedeutet dabei, daß es keine Einschränkungen durch Lizenzen oder Patente geben darf oder gar eine (teure) Mitgliedschaft in exklusiven Verbänden notwendig ist, um an diese Spezifikationen heranzukommen und auch anwenden zu dürfen. Das wohl beste Beispiel für solche freien Standards sind die RFCs – die "Request for Comments" – der IETF – Internet Engineering Task Force-, die die Standards hinter dem Internet sind. Die waren und sind frei zugänglich und konnten dadurch auf allen Betriebssystemen implementiert werden.

WebStandard: Während in anderen Ländern die öffentlichen Verwaltungen recht offensiv in Richtung Linux auch auf dem Desktop gehen, scheint sich Österreich noch im Dornröschen-Schlaf zu befinden. Gibt es in diesem Bereich neue Signale der Kommunen, die auf eine Trendwende schließen lassen würden, oder bleibt Linux hierzulande auf absehbare Zeit "nur" der Einsatz im Server-Bereich vorbehalten?

Thomas Warwaris: Das ist von außen sehr schwer zu beurteilen. Wir denken, dass die meisten Behörden von sich aus wohl eher noch ein wenig neugierig abwarten werden.

Ob sich der politische Wunsch nach Linux, als europäischem Betriebssystem, ausweitet ist schwer zu vorauszusagen.

Christian Mock: Es ist leider immer noch die früher mit "nobody's ever been fired for buying IBM" umschriebene Mentalitaet zu sehen – Entscheider entscheiden nicht, sondern folgen dem Strom und machen den reichsten Mann der Welt mit unseren Steuergeldern noch reicher, anstatt um weniger Geld bessere Lösungen zu bekommen, bei denen der Wertschöpfungsanteil zum grossteil im Lande bleibt und die in Sonntagsreden immer als Zukunftsbranchen bezeichneten Branchen fördert. (red)