"Yoyogi-Yoga" nennt die in Japan lebende österreichische Designerin Edwina Hörl ihre neue Kollektion. Die Künstlerin Anna Meyer hat sie in Tokio bei einer "aktionistischen Kleiderprobe" fotografiert

Wortspiele schlagen Brücken, wie die Namen der Kleidungsstücke Edwina Hörls Verbindungen herstellen und das nicht unbedingt Selbstverständliche zu vermitteln suchen. Benennungen verdichten die Aussage, können Missverständnisse ausräumen und Dinge präzisieren. Einen Gegenstand benennen bedeutet auch, ihm Leben einzuhauchen. Wie Kinder es tun mit ihren liebsten Sachen. Edwina Hörl und Anna Meyer bringen Assoziationsketten lustvoll ins Rollen, wie in der Sommerkollektion 2004 - Sommerfrische von Edwina und Anna - yo ga, yo gi, yo yo gi (Park bzw. Ortsteil in Tokio und Edwinas Atelier-Adresse), yo yo (auf Japanisch auch schön), ga ga, gi gi, gi ga (groß) und so fort.

Auch in der als Fotoshooting getarnten "Modeschau" verbindet sich das spielerische, lustvolle Moment in Anna Meyers Fotostrecke zu einer Einheit, die sich in Edwina Hörls Kleidung verdichtet. Aus einer "aktionistischen Kleiderprobe" entspinnen sich Geschichten über weitläufige Zusammenhänge. Der Ort des Geschehens liegt im Gesichtsfeld in und außerhalb des angemieteten Showrooms im Tokioter Stadtteil Aoyama.

Die Erzählstruktur der Fotostrecke weist eine Dichte auf, wie man sie in diesem Genre eigentlich nicht kennt. Die über 300 Abbildungen, die in nur wenigen Stunden entstanden, bedurften keines Storyboards. Die "Geschichte" ist nicht konstruiert, die "Models", Edwinas Freunde, weitestgehend nicht instruiert.

Aus zwei Welten, der mitteleuropäischen und der fernöstlichen Welt, kreiert Edwina eine dritte, die sich als Missing Link aus Anna Meyers Fotos ablesen lässt und ein eigentümliches Eigenleben entfaltet. Unvereinnahmt von übergeordneten Kategorien wie etwa "Coolness" nützt Meyer einzig die Gunst der Stunde, das schöne Wetter, den Stand der Sonne, die Tiefe der Schatten und instrumentalisiert gekonnt den Zufall. Dergestalt eingebettet bleibt die Handschrift der Designerin, die nicht vollends mit der Identität der Träger aufgeht, lesbar. Lediglich das geschulte Auge der Künstlerin, die seit geraumer Zeit die Fotografie als Hilfswerkzeug für ihre Malerei benutzt und beherrscht, hält fest, was der urbane Wirkungsraum so bietet - und der ist dicht codiert.

Als einzig inszenatorisches Moment dient der Zufall als "Fenster in die Welt" gewissermaßen und nicht bloß realistischer Schein, ein Erfolgsrezept der Modefotografie der 90er-Jahre, das zum Teil bis heute nachwirkt. Das Erstaunliche im Banalen und Alltäglichen zu erkennen, weil nichts selbstverständlich ist, auch wenn es Selbstverständnis mimt, oblag dem Auge Anna Meyers.

Vermeintliche Staffage ist simpel Vorgefundenes wie etwa der Mann vom Reinigungsdienst im Hintergrund einiger Aufnahmen, dessen grüne Schaufel in Hörls grünem Sophia-Loren-Kleid kulminiert. Oder der voll geschüttete Müllcontainer, der kurz symbiotisch mit Hörls "Half but Big" wird.

Der kulturelle Unterschied zwischen den beiden Welten lässt sich an der Körpersprache der "Models" ablesen: Japanerinnen gestikulieren verhalten. Ihre Hände vollziehen wenige, graziös Bewegungen und weisen unterschiedliche Temperamente aus. Junge Japaner hingegen zeigen ein ausgeprägtes Körperbewusstsein. In selbstdarstellerischen Posen nehmen sie die Herausforderung durch Hörls Unisex-Outfits mit großem Selbstverständnis an. Die scheinbar entspannten und gelösten Gebärden eines Europäers machen die kulturelle Bedingtheit von körperlichen Ausdrucksmöglichkeiten evident.

Anna Meyer, die in der Kunstwelt durch das De- oder besser Rechiffrieren von Codes Fuß fasste, erlebt Japan als äußerst verschlüsselt und geheimnisvoll. Als Metapher für die Zurückhaltung und Höflichkeit der Japaner dient Anna Meyer der Delfin. Eine persönliche Genealogie, die dem Europäer umgekehrt die Verwandtschaft mit dem Affen bestätigt. Folglich bemalte Meyer Teile der Yoyogi-Yoga-Kollektion mit Delfinen, aber auch semantisch weit unbefangener mit Kritzi-kratzi / raku-kaki.

Aus der Begegnung zweier Europäerinnen in Tokio entstand im assoziativen und konzeptuellen Zusammenspiel im Vorfeld dieser bemerkenswerten Fotoserie eine Kollektion, wobei es nebensächlich erscheint, dass die eine Kunst, die andere Mode macht. Beide observieren, analysieren, dekonstruieren ihr Lebensumfeld in ähnlicher Weise, um vorhandene Konventionen aufzubrechen und das zwischen den Kulturen angesiedelte Jetzt und Hier zu hinterfragen. (DERSTANDARD/rondo/Ursula Graf/07/05/04)

Yoyogi-Yoga Spring Summer Collection 2004
Edwina Hörl in Zusammenarbeit mit Anna Meyer,
Park, Mondscheingasse 20, 1070 Wien
Fotos: Anna Meyer/Galerie Krobath Wimmer/Wien