Wien - Das neue Dienstrecht für die 47.000 Eisenbahner bei den ÖBB steht in seinen Grundzügen fest. Die Regierung hat am Donnerstag nach mehrstündigen Verhandlungen den Weg zum Abschluss der Dienstrechtsverhandlungen mit der Gewerkschaft freigegeben. Man habe die bisher ausverhandelten Ergebnisse akzeptiert. Nun gelte es aber noch, Feinformulierungen auszuverhandeln. Ein endgültiger Abschluss könnte sich daher noch bis übers Wochenende verzögern, sagte Vizekanzler Verkehrsminister Hubert Gorbach am Donnerstagabend nach den Besprechungen mit dem Vorstand.

ÖBB-Vorstand machte Unterschrift von Regierungszustimmung abhängig

In Summe soll das neue Dienstrecht den ÖBB mittelfristig Einsparungen von rund 100 Mio. Euro bringen. Alte Sonderrechte werden durch die Neuregelung beseitigt. Laut Gewerkschaft sind mit dem ausverhandelten Paket die Vorgaben bereits Mittwochnacht erreicht worden. Der ÖBB-Vorstand machte die Unterschrift unter die Vereinbarung mit der Gewerkschaft aber von der Zustimmung der Regierung abhängig.

"Ergebnis respektabel"

Vizekanzler und Verkehrsminister Hubert Gorbach (F) sprach den Verhandlern von Vorstand und Gewerkschaft am Donnerstagabend seinen ausdrücklichen "Dank" aus. Noch sei man "nicht am Ziel", aber man sei "auf einem guten Weg". "Dem Grunde nach ist das bisherige Ergebnis respektabel und akzeptabel. Details sind jedoch noch auszuformulieren, damit es nachher keine Missverständnisse gibt. Ich bin aber sicher, dass wir die Zielgerade auch noch schaffen", sagte Hubert Gorbach (F) am Donnerstagabend weiter vor Journalisten.

Gewerkschaft: Papier bereits ausverhandelt

Überrascht über den heutigen Ausgang der Dienstrechtsgespräche zwischen ÖBB-Vorstand und Regierung zeigt sich die Gewerkschaft. Laut Eisenbahner-Gewerkschaftschef Wilhelm Haberzettl sind die Verhandlungsergebnis "de facto bereits ausformuliert worden".

Zweiseitiges Papier existiere bereits seit Mittwoch

"Nach stundenlangen Verhandlungen gibt es schon bereits seit Mittwoch ein zweiseitiges Papier, das der Vorstand aber aus unerfindlichen Gründen dem Aufsichtsrat und dem Eigentümervertreter (gemeint sind Vizekanzler Hubert Gorbach und Verkehrsstaatssekretär Helmut Kukacka, Anm.) nicht vorgelegt hat", sagte Haberzettl Donnerstagnacht zur APA. Der Gewerkschafter sieht darin "den letzten Versuch von ÖBB-Generaldirektor Rüdiger vorm Walde, die Verantwortung noch einmal an den Eigentümer abzuschieben, damit dieser weiter seinen Job macht".

Die abschließenden Detailverhandlungen sieht Haberzettl jetzt gelassen. Es sei wichtig gewesen, dass "die Politik zu den bereits ausverhandelten Ergebnisse steht". Der "Handlungsbedarf" liege nun bei Vorm Walde. Die Gewerkschaft habe "keinen Zeitdruck mehr", so Haberzettl.

Die ÖBB-Unternehmensführung wollte zu den Vorwürfen Donnerstagnacht keine Stellungnahme abgeben.

Regierung hält nicht mehr am Freitags-Termin für Abschluss fest

Die ursprüngliche Forderung der Regierung nach einem Abschluss der Verhandlungen bis morgen, Freitag, gilt nicht mehr. Die Vorgaben - die Abschaffung der Sonderrechte und die Erreichung von 100 Mio. Euro Einsparungen bis 2010 - seien "mit dem, was am Tisch ist, im wesentlichen erfüllt" worden. Der Inhalt im Detail sei ihm nun "wichtiger, als der Termin", betonte Gorbach.

Es sei gut möglich, dass Vorstand und Gewerkschaft mit der Detailformulierung morgen, Freitag, bereits fertig würden. Grundsätzlich spreche aber auch nichts dagegen, dass man auch noch am 1. Mai - am Tag der Arbeit - arbeiten könne, so der Vizekanzler.

Auch Verkehrsstaatssekretär Helmut Kukacka (V) zeigte sich Donnerstagabend "mit der Punktation sehr zufrieden". Die Sonderrechte würden abgeschafft, aus den ÖBB werde "ein ganz normales Unternehmen".

Abdeckung durch Betriebsvereinbarungen

Die getroffenen Vereinbarungen könnten "durch Betriebsvereinbarungen abgedeckt werden". Auf einen Gesetzeseingriff werde die Regierung verzichten. Sollte sich nach ein, zwei Jahren herausstellen, dass man die Rechtssicherheit der ausverhandelten Punkte gewährleisten müsse - sprich, wenn mehrere Mitarbeiter die Änderungen beim Arbeitsgericht einklagen sollten - könne man "noch immer auf dieses Instrument zurückgreifen", so der Staatssekretär.

ÖBB-Generaldirektor Rüdiger vorm Walde versprach, dass man sich nun "schnellstmöglich um die Formulierung der ausverhandelten Punkte im Detail" kümmern werde. Die Verhandlungen sei "sachbezogen und konstruktiv unterwegs". Nach mehr als vierzig Verhandlungsrunden (Untergruppen eingerechnet) sei jetzt "Finetuning angesagt". Die Gespräche mit der Gewerkschaft stünden bereits "dicht vor einem Ergebnis", sagte Vorm Walde und er meint: "Ich denke, das wird uns schon gelingen."

Die Regierung hatte ursprünglich per Gesetz in die Eisenbahnerverträge eingreifen wollen. Die Eisenbahnergewerkschaft hatte dagegen bereits im Vorjahr gestreikt und auch mit neuen Streiks gedroht. Laut Verkehrsstaatssekretär Helmut Kukacka wird es nach der grundsätzlichen Erreichung der Vorgaben vorerst keine Gesetzeseingriffe geben. (APA)