Bei börsennotierten Unternehmen spricht man von Gewinnwarnungen, wenn öffentlich gemachte Prognosen nicht eingehalten werden können. In aller Regel stürzen hinterher die Aktienkurse ab - manchmal ins Bodenlose.

Bei Finanzminister Karl-Heinz Grasser muss man eher von einer Defizitwarnung sprechen, denn seit 2001 und 2002, den beiden Jahren mit ausgeglichenen Haushalten, sind schon viel neue Schulden die Donau hinuntergeflossen. Damit Grassers Ich-Aktie halbwegs stabil bleibt - nach der Homepage-Affäre wäre jeder weitere Kurseinbruch ein herber Schlag -, verkündete der Minister seine Warnung vorsichtshalber in der Neuen Zürcher Zeitung. Pressekonferenzen, Interviews und Aussendungen in Wien gibt es nur, wenn Positives zu bejubeln ist.

In diese Kategorie gehört das absehbar höhere Budgetdefizit 2005 mit Sicherheit nicht. Im Jahr 2000 drückte der frühere Magna-Pressesprecher das geerbte Defizit von 2,3 auf 1,5 Prozent. Im kommenden Jahr hätten das Haushaltsloch dank der Steuerreform wieder auf 1,5 Prozent anwachsen sollen. Nun spricht Grasser davon, dass es "in Richtung zwei Prozent" geht, und verschiebt auch gleich das nächste Nulldefizit auf 2008.

Im Klartext: Schwarz-Blau steht samt dem farblosen Grasser finanzpolitisch wieder dort, wo das Wendeexperiment begonnen hat. In der Zwischenzeit wurden Abgaben - vor allem für die Arbeitnehmer - massiv erhöht und nun in zwei Tranchen - vor allem für die Arbeitgeber - wieder gesenkt.

Klar ist damit aber auch, dass bis zu den nächsten Nationalratswahlen 2006 kein Spielraum mehr vorhanden ist, neuerlich das Füllhorn über der eigenen Klientel auszugießen. Kanzler Wolfgang Schüssel wird sich einen anderen Wahljoker suchen müssen. KHG und sein Nulldefizit stechen nicht mehr. (DER STANDARD Printausgabe, 28.4.2004)