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Ein populärer Bürokrat: Ex-General Yudhoyono hat beste Chancen auf Indonesiens Präsidentenamt

Foto: APA/EPA/Rante
Jakarta/Wien - Als im Mai 1998 Plünderer durch die Geschäftsviertel von Indonesiens Hauptstadt Jakarta zogen und sich Staatschef Suharto in seiner Villa im Stadtviertel Menteng verbarrikadierte, entschieden zwei Generäle über Diktatur oder Demokratie im viertgrößten Staat der Welt: "Denken Sie daran, die Macht zu übernehmen?", will Susilo Bambang Yudhoyono, Vizekommandeur der allmächtigen Armee, damals die Nummer eins, General Wiranto, gefragt haben. Das wäre gegen die Verfassung, sagte Wiranto schlicht, und Yudhoyono - so schreibt dieser zumindest in seinen Erinnerungen "Sang Demokrat" ("Der Demokrat") - habe Wirantos Hand ergriffen und erklärt: "Sir, wenn das der Fall ist, bin ich mit Ihnen."

Dass ausgerechnet diese beiden Männer nun als Favoriten im Rennen um die Präsidentschaft stehen, sagt viel über den politischen Reifeprozess, den Indonesiens Demokratie sechs Jahre nach dem Sturz Suhartos hinter sich gebracht hat. Bei den Parlamentswahlen vom März, die des komplizierten Abstimmungsverfahrens wegen immer noch nicht vollständig ausgezählt sind, aber dafür bereits die Weichen für die Präsidentschaftskandidaturen gestellt haben, ist die Partei von Staatspräsidentin Megawati Sukarnoputri abgestraft worden. Ihre große PDI-P ("Partei für den demokratischen Kampf") verlor im Vergleich zur ersten demokratischen Wahl 1999 ein Drittel ihrer Stimmen und wird im neuen Parlament nur zweitstärkste Kraft gleich hinter der früheren Regimepartei Golkar.

Chancen geschwunden

Auch die Chancen der früheren Oppositionsführerin - Megawatis Vater, der Republikgründer Sukarno, war einst von Suharto entmachtet worden - auf eine Wiederwahl im Juli sind nun geschwunden. Enttäuscht von der Leistung der Präsidentin, die öffentliche Auftritte scheut und nur zögerlich erste Schritte gegen die Korruption unternahm, dafür aber unpopuläre Preissteigerungen bei Gas und Benzin genehmigte, gaben viele der "orang kecil", der "kleinen Leute" in den Vorstädten, der Demokratischen Partei (DP) ihre Stimme. Die ist zwar nur wenige Monate alt und wahrscheinlich in Verlegenheit, überhaupt die rund 50 Abgeordneten für die Parlamentssitze aufzubringen, die sie nun wohl erhalten wird, stützt aber Yudhoyono.

Mit sieben Millionen Stimmen verhalf sie dem erst im März zurückgetretenen populären Sicherheitsminister zum Anrecht auf die Präsidentschaftskandidatur. Die Umfragen zu den ersten direkten Präsidentschaftswahlen führt der mittlerweile aus dem Armeedienst geschiedene 53-jährige Yudhoyono mit weitem Abstand an. "Er ist kein Politiker", wird ein Vertrauter zitiert, "er ist ein Bürokrat und Soldat, der Anstand und Moral in die Politik bringt."

Wiranto wiederum, Yudhoyonos früherer Kollege im Generalstab, gewann überraschend die Vorwahlen von Golkar - auch dies eine Premiere innerhalb der früheren Autokratenpartei, die ihr Image loswerden will und die Stabilität und den Wohlstand der 32 Jahre währenden Herrschaft Suharto verspricht. Vor allem junge Parteidelegierte sollen mit ihrem Votum eine Präsidentschaftskandidatur des Parteichefs und Parlamentssprechers Akbar Tandjung verhindert haben. Der nämlich war wegen Veruntreuung von 4,5 Millionen Dollar an öffentlichen Geldern zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Indonesiens Höchstgericht hob das Urteil jedoch im Februar zur allgemeinen Empörung wieder auf.

Ebenso wie Yudhoyono gilt auch Wiranto als telegen und frei von Korruptionsskandalen, ist dazu aber noch als talentierter Sänger bekannt. Als der frühere Armeechef 2002 wegen seiner Rolle bei den Massakern in Osttimor vor einem Menschenrechtstribunal erscheinen musste, nahm er eine CD mit Liebessongs auf. Belangt wurde er nie, und den Indonesiern will auch nicht einleuchten, weshalb ausgerechnet der 57-Jährige für den blutigen Schlusspunkt der fast 25 Jahre dauernden Besetzung Osttimors zur Verantwortung gezogen werden soll.

Indonesiens Wahlen brachten schließlich noch ein bemerkenswertes Resultat: die Marginalisierung des radikalen Islamismus in einem Land mit 170 Millionen Gläubigen. So gingen etwa in der Hauptstadt Jakarta die meisten Stimmen an Yudhoyonos DP und die neue islamische "Gerechtigkeit- und Wohlfahrtspartei" (PKS) von Hidayat Nur Wahid. Der bestritt seinen Wahlkampf nicht mit der Einführung der Scharia - der Kampf gegen die Korruption war sein Thema. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.4.2004)