Wien - Ungewöhnlich viele frühere ÖVP-Wähler haben bei der Präsidentenwahl "weiß" gewählt: Sie sind also zur Wahl gegangen, haben den Stimmzettel dann aber nicht oder ungültig ausgefüllt. 96.000 solcher ÖVP-Wähler weist der Statistiker Erich Neuwirth, der im Innenministerium die Hochrechnung mit gestaltete, in seiner Wählerstromanalyse aus. Vor allem in Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark haben ÖVP-Wähler so ihre Unzufriedenheit mit der ÖVP-Kandidatin Benita Ferrero-Waldner zum Ausdruck gebracht - und dem SPÖ-Kandidaten Heinz Fischer in diesen "schwarzen" Ländern zum Sieg verholfen. Ebenfalls auffällig ist, dass fast die Hälfte der FPÖ-Wähler überhaupt nicht zur Wahl ging.

Insgesamt haben gestern, Sonntag - noch ohne Wahlkarten aus dem Ausland - 181.647 Österreicher ungültig gewählt. Mehr als die Hälfte, 96.000, rechnet Neuwirth der ÖVP zu - und das bedeutet, dass fast fünf Prozent - genau 4,7 - der ÖVP-Wähler des Jahres 2002 bei der Bundespräsidentenwahl weiß gewählt haben. Gleichzeitig blieben auch 138.000 bzw. 6,8 Prozent ÖVP-Wähler zu Hause. Insgesamt haben also 11,5 Prozent der ÖVP-Wähler sich an der Entscheidung über den Bundespräsidenten nicht beteiligt.

Treue Burgenländer

Besonders unzufrieden mit der ÖVP-Kandidatin waren die Niederösterreicher - wo ja auch LH Erwin Pröll im Gespräch war -, die Oberösterreicher und die Steirer, aber, betrachtet man die Prozentsätze, auch die Vorarlberger. 6,1 Prozent bzw. 20.000 der steirischen ÖVP-Wähler 2002 wählten gestern "weiß", aus OÖ waren es 5,8 Prozent bzw. 21.000, aus Vorarlberg 5,7 Prozent bzw. 6.000 und aus NÖ 4,9 Prozent bzw. 24.000 Wähler. Am parteitreuesten zeigten sich laut der Analyse die Burgenländer: Dort gingen laut der Analyse - bei einer Schwankungsbreite von 2.000 - alle ÖVP-Wähler zur Wahl und wählten gültig.

Den zweithöchsten Anteil ungültiger Stimmen und den mit Abstand größten Anteil Nichtwähler weist Neuwirth für die FPÖ aus, die keinen eigenen Kandidaten nominierte: 17.000 bzw. 3,4 Prozent ihrer Nationalratswähler haben ungültig gewählt und 237.000 bzw. 48,8 Prozent blieben zu Hause. Insgesamt haben also 52,2 Prozent der früheren FPÖ-Wähler weder Fischer noch Ferrero gewählt.

Wobei es auch bei den Freiheitlichen große Unterschiede nach Bundesländern gibt: Für Vorarlberg weist Neuwirth - bei einer Schwankungsbreite von 8,4 Prozent - aus, dass alle FPÖ-Wähler (26.000) diesmal zu Hause geblieben seien. In Wien verweigerten demnach 82,4 Prozent (53.000 FPÖ-Wähler) die Teilnahme an der BP-Wahl, in der Steiermark 79,7 Prozent (58.000), in Oberösterreich 66,2 Prozent (59.000). Im Burgenland gingen laut Neuwirth - bei einer Schwankungsbreite von 1.000 - alle 12.000 FPÖ-Wähler zur Wahl und wählten gültig, auch in NÖ gingen alle zur Wahl, wobei aber 14,5 Prozent (10.000) ungültig wählten.

Von den SPÖ-Wählern wählten nur 0,8 Prozent (14.000) ungültig, aber 8,9 Prozent (156.000) gingen nicht zur Wahl. Von den Grünen wählten 11.000 bzw. 2,5 Prozent ungültig, wobei 18,7 Prozent gar nicht zur Wahl gingen. Vor allem im Burgenland (62,1 Prozent) und NÖ (43,9) blieben die Grün-Wähler zu einem guten Teil zu Hause. Österreichweit gingen aber immerhin vier Fünftel der Grün-Wähler zur Wahl - und wählten laut Neuwirth zu fast 65 Prozent Fischer und zu 14 Prozent Ferrero.

Wesentlich geringer als die Grün-Stimmen für Fischer fiel der Anteil der FPÖ-Stimmen für Ferrero aus: 39,5 Prozent FPÖ-Wähler stimmten laut Neuwirth für die ÖVP-Kandidatin, 8,2 Prozent für Fischer.

Praktisch gleich, mit jeweils mehr als 1,5 Millionen, setzt Neuwirth die Zahl der SPÖ-Wähler, die Fischer gewählt haben, und der ÖVP-Wähler, die Ferrero-Waldner gewählt haben, an. Weil Fischer auch 200.000 ÖVP-Wähler und 280.000 Grün-Wähler für sich gewinnen habe können, habe er die Wahl gewonnen, ist Neuwirths Analyse. (APA)