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Der Begriff der "Gewalt" tauche in der Philosophiegeschichte immer wieder auf, "aber er wurde nur an der Oberfläche thematisiert". Und Michael Staudigl fragt sich, ob "Gewalt nicht bloß Gegenstand von medialen Repräsentationsdiskursen ist, ob unsere Wahrnehmung darüber nicht die Anästhesie ihrer Realität ist." Wie komme es überhaupt, dass etwas als "Gewalt" wahrgenommen wird?

Diese Fragen zu klären, hilft dem 32-jährigen Philosophen ein kürzlich verliehenes Apart-Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Als "visiting fellow" am Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien-Alsergrund ("meine Basisstation") hat er bis Oktober 2006 Zeit, seine Habilitation über das "Phänomen Gewalt - Perspektiven phänomenologischer Forschung" zu erstellen.

"Philosophie sehe ich eher als Detailarbeit, die den Alltag durchleuchten sollte", meint Staudigl. Ein weiterer Grund, warum der studierte Philosoph und Politikwissenschafter (Studium von 1990 bis '96, Sponsion mit Auszeichnung und dann Doktorat über gegenwärtige Tendenzen französischer Phänomenologie) sich dem Begriff der Gewalt zuwandte. Er will damit auch die Philosophie anwendbarer gestalten, ihr - aufgrund seiner in den letzten Jahren gewachsenen Unzufriedenheit darüber, was die Philosophie für die Gesellschaft leistet - einen anderen Stellenwert verschaffen. "Theoretisch abgehobene Diskussionen" habe er selber lange genug geführt.

"Was die Philosophie überhaupt soll" - dieser Frage musste sich der frühere Sportlehrer in der Vergangenheit oft stellen. Mit Freunden pflegt er dazu regelmäßig Brunchrunden. Dieses "kritische Potenzial", das sich dabei eröffne, liebt er. Und "meine Freundin, eine Soziologin, hat mich immer schärfstens kritisiert angesichts meiner früheren Methodenobsession". Freunden hat er es also zu verdanken, dass er in der Philosophie den praktischen Boden der Realität erreicht hat.

Treu bleiben will er der wissenschaftlichen Disziplin. "In dem Moment, in dem man die Habilitation angeht, sieht man automatisch seine Zukunft im akademischen Umfeld." Aber große Gedanken macht sich der Hobbykoch darüber nicht, "weil da würde ich zum Meister der Sorge".

Statt Sorge um die Zukunft - die hatten schon einmal seine Eltern und Großeltern, weil sie ihn gerne als Arzt oder Juristen gesehen hätten - genießt er lieber das Stadtleben. Seit acht Jahren lebt der gebürtige Marchfelder in Wien. Er kocht sehr gerne, mag Beethoven, Jazz und hört gerne polnische Requien. Er treibt auch viel Sport. Zwanzig Jahre lang "habe ich sehr exzessiv Tennis gespielt", das hat er aber mittlerweile reduziert. Jetzt läuft er lieber zur Entspannung. Den allergrößten Freizeitgenuss bereiten ihm aber die Gärten der Großeltern. "Ich liebe Gartenarbeit", schwärmt er, "das ist auch mein Ausstiegsszenario", falls es mit der angestrebten akademischen Karriere in Wien oder in einer anderen europäischen Stadt doch nicht klappen sollte. (Andrea Waldbrunner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25. 4. 2004)