Theodosii Spassov

Foto: Wiener Balkanfestival
Wien - Als er vor Jahren in der Band des Perkussionisten Trilok Gurtu im Wien gastierte, da wagte er sogar ein Tänzchen, derart, dass man fürchten musste, der junge Mann werde sich selbst ins Publikum befördern. Mittlerweile ist Theodosii Spassov längst mit eigenen Formationen auf Tour und gefällt sich als europaweit wohl bekanntester Meister der südosteuropäischen Hirtenflöte, der Kaval, darin, die Grenzen zwischen Jazz, Volksmusik und anderen Genres durchlässig zu halten.

Im Kellergemäuer des Tunnel stellte der 43-jährige Bulgare beim Ersten Wiener Balkanfestival sein Trio mit den Gitarristen Ateshgan Yuseinov und Peter Milanov vor. Dass dies einerseits eine Angelegenheit schweißtreibender Tänze sein, andrerseits die Kaval in hochexpressiven Melodien elegisch seufzen würde, war klar.

Spassov freilich demonstrierte, dass er einen Schritt weiter ist als die zahlreichen fulminanten Volksmusikensembles nicht nur seines Landes, dass er nicht zu Unrecht im Hinblick auf sein Tun von "moderner bulgarischer Musik" spricht. Indem er die Tradition gleichsam von innen heraus behutsam erweitert, wohldosiert und ohne jeden stilistischen Bruch mit Elementen des Blues, Jazz und Funk anreichert, schafft er eine Musik, die zwischen Folklore und dem steht, was man landläufig als Ethnojazz bezeichnet.

Das Stück Tui-To! ("Das ist es!"), von Spassov solo intoniert, geriet in diesem Sinne zum Modellfall: Sukzessive verwandelten sich hier die ekstatischen Kaval-Töne in an Roland "Rahsaan" Kirk erinnernde Blas- und Stimmgeräusche, weiter in girlandenhaft gewundene, stets in die rhythmische Patternbewegung integrierte Sprachsilben und wieder zurück.

Das Instrument als Verwandter, als Fortsetzung der menschlichen Stimme - nichts weniger als jene urbildhafte Verbindung wurde zelebriert, und zwar derart plastisch, dass die experimentelle Kühnheit des Stücks kaum wahrgenommen wurde.

Auch die Kollegen im Dienste der Traditionserweiterung, und zwar bereits über ihre Instrumente: War doch in ihrer voll Verve und filigraner Details steckenden Gitarristik, in den Bordun-Aklängen und schnarrenden Obertönen vielfach die Spielweise der traditionellen Langhalslaute Tambura herauszuhören: Der klangliche Mutationsprozess ging mit einem stilistischen einher, in dem Folk-Patterns unmerklich in Richtung abstrahierter Funkyness verschoben wurden. Traditionalismus, verbunden mit der großen weiten Welt. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.4.2004)