Nach der britischen Entscheidung für ein EU-Verfassungsreferendum werden auch in Deutschland die Forderungen nach einem Volksentscheid lauter. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt forderte am Mittwoch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) auf, sich ein Beispiel am britischen Premier Tony Blair zu nehmen. "Ein Referendum führt immer dazu, dass ein Thema breit in der Öffentlichkeit diskutiert wird", sagte Gerhardt.

Die Oppositionsparteien FDP und PDS verlangen ein Referendum in der Bundesrepublik ohne weitere Zusätze. Die Regierungspartei Die Grünen verbindet ihre prinzipielle Befürwortung eines Referendums wie die bayerische CSU mit der Anregung, eine EU-weite Abstimmung abzuhalten. In der SPD gibt es ebenfalls Rufe nach einem Referendum für EU-Entscheidungen. Der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, schränkte jedoch ein, dass es bei der Frage der EU-Verfassung beim bisher vereinbarten parlamentarischen Verfahren bleiben solle. Einer EU-Verfassung müssen Bundestag und Bundesrat jeweils mit Zweidrittelmehrheit zustimmen.

Für mehr Volksentscheide

Die Regierung sieht trotz der britischen Entscheidung keine Notwendigkeit, ein Referendum abzuhalten. "In Deutschland wird die Ratifizierung auf dem bewährten Weg des parlamentarischen Verfahrens erfolgen durch Beschluss des Bundestags und Bundesrats", sagte Mittwoch Vizeregierungssprecher Thomas Steg. "Es ist überhaupt nicht an ein Plebiszit gedacht." Dies sei die "einheitliche Haltung der Bundesregierung". Er fügte hinzu, dass die Frage der Ratifizierung der EU-Verfassung nicht damit vermengt werden soll, dass sich die rot-grüne Regierung für mehr Volksentscheide einsetze.

Nach Angaben des Regierungssprechers sei Deutschland vorab von der britischen Regierung über diesen Schritt, ein EU-Referendum abzuhalten, unterrichtet worden. "Für uns kam das nicht überraschend", so Steg. (DER STANDARD, Printausgabe, 22.4.2004)