Frankfurt/Berlin/Zürich - Der Truppenabzug Spaniens und lateinamerikanischer Staaten aus dem Irak ist am Mittwoch Gegenstand von Pressekommentaren:

FTD - Financial Times Deutschland"

"Die Entscheidung Spaniens zum Rückzug seiner Truppen scheint eine Kettenreaktion auszulösen. Für die US-Armee wird es zwar kein Problem sein, die abziehenden Truppen zahlenmäßig zu ersetzen. Doch die Rückzugspläne der Bündnispartner drohen die 'Koalition der Willigen' zu sprengen. Die USA geraten im Irak damit zunehmend in die Isolation. (...) In Polen und auch in der Ukraine werden die Rufe der Opposition nach einem Abzug lauter. Beide Länder stellen derzeit die größten Kontingente in der polnisch kontrollierten Zone in Zentral-Irak."

"tageszeitung" (taz)

"Kritiker der USA neigen dazu, die Rationalität der amerikanischen Außenpolitik zu unterschätzen. Man mag die US-Kriege vom ersten Golfkrieg über Kosovo bis nach Afghanistan moralisch ablehnen - jedoch beachteten die USA meist die Regeln der 'checks and balances'. Sie schmiedeten Koalitionen, nahmen mehr oder weniger viel Rücksicht auf ihre Partner. Und sie waren in der Lage zu lernen. Beides, die Lern- und Koalitionsfähigkeit, scheint derzeit rapide zu schwinden. (...) Die aggressiven Unilateralisten in der US-Regierung haben diese ausweglose Lage selbst herbeigeführt. Gleichzeitig sorgen sie mit ihrer Hybris dafür, dass dieser höchst schwierige Prozess noch komplizierter wird."

"Neue Zürcher Zeitung"

"Die Koalition der Besetzer bröckelt deutlich ab. Die neue Regierung Zapatero in Madrid, welche unter dem Schock des Al-Kaida-Bombenterrors an die Macht gekommen ist, macht mit dem Abzug des spanischen Truppenkontingents Ernst. Honduras kündigte an, es werde ebenfalls seine Soldaten abziehen. Die Ukrainer zogen vor den Freischärlern aus Al-Kut ab, und die amerikanischen Truppen mussten die Stadt zurückerobern. Die Kasachen rückten ebenfalls ab, die Polen stellten ihre Patrouillen ein, die Bulgaren forderten Verstärkungen an. Die Japaner und Thailänder blieben einfach in ihren Kasernen. Washington wirft all diesen Kräften Wankelmut und mangelndes Durchhaltevermögen vor. Doch ein treibendes Motiv dürfte auch die Einsicht sein, dass sich der Kampf für ein schlecht durchdachtes Unterfangen nicht lohnt, welches von großen Teilen der irakischen Bevölkerung als illegale, unwillkommene und rasch abzuschaffende Fremdbesetzung betrachtet wird."

"Frankfurter Rundschau":

"Die Zeit drängt. Wenn der Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern nicht bald wieder in Gang gebracht und wenn der Zeitplan für die Übergabe der Souveränität im Irak nicht eingehalten wird, fliegen den Europäern der Nahe und Mittlere Osten um die Ohren. Diesem Schlamassel ein Ende zu setzen, bedarf es einer Erkenntnis und einer Konsequenz. Der Erkenntnis, dass die USA nicht mehr in der Lage sind, die von ihr heraufbeschworenen Gefahren in den Griff zu kriegen, aber gleichwohl eine Weltmacht bleiben, ohne die keine Lösung möglich sein wird. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass Europa eine Balance zwischen seinen Interessen im Nahen und Mittleren Osten und seiner Partnerschaft mit den USA finden muss. Die Herausforderungen sind zu drängend, als dass Zeit für Abrechnungen darüber wäre, wer was wann falsch gemacht hat."

"de Volkskrant" (Den Haag)

"In Italien hat sowohl die rechte Regierung Berlusconi als auch die Mitte-Links-Opposition besser begriffen, wie heikel die Situation ist. Auch Italien hat Soldaten im Irak, auch in Italien war ein erheblicher Teil der Bevölkerung im vorigen Jahr gegen den Krieg. Aber selbst die nie um unverbindliche Kritik an Berlusconi verlegene Mitte-Links-Opposition ist zurückhaltend, wenn es um Truppenabzug geht."

"Iswestija" (Moskau)

"Für den gegenwärtigen US-Zivilverwalter im Irak, Paul Bremer, wird dort bald kein Platz mehr sein. Die Verantwortung für eine Befriedung des Irak geht allmählich vom Pentagon auf das Außenministerium über. (...) Selbst wenn der neue Posten formal für (John) Negroponte eine gewisse Rückstufung bedeutet, wird er damit zu einer Schlüsselfigur in der US-Regierung. Von seinen Erfolgen hängt nicht nur eine Friedensregelung im Irak ab, sondern in vielem auch der Ausgang der Präsidentenwahl in den USA und damit die politische Zukunft von George W. Bush." (APA/dpa)