Die Autorin lebt als freie Journalistin in Wien und hat u.a. zur Blütezeit roter Regierungsmehrheiten das Buch "Emanzipation in Österreich – der lange Marsch in die Sackgasse" (Böhlau) veröffentlicht

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Primat der Nelke: "Is des da vurn net unser Heinzi..."? - Drei Parteigängerinnen.

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Eine frauenbewegte Freundin aus Deutschland zog nach zwei Wochen österreichischer Wahlkampfbeobachtung den niederschmetternden Schluss: "Warum können Frauen anderen Frauen den Erfolg nicht gönnen, den sie selbst gerne gehabt hätten?" Ich fürchte, das ist zu pauschal resigniert. Was wir in diesen Tagen erleben, ist ein sehr österreichisches Phänomen. Wir haben zwei qualifizierte Kandidaten für die Hofburg – aber mit unterschiedlichen Akzentsetzungen in der Qualifikation.

Parteiräson . . .

Das ist eigentlich der bisher deutlichste Beweis dafür, dass die Formulierung ". . . bei zwei Kandidaten mit gleicher Qualifikation" aus dem Gleichbehandlungsgesetz die Lebensrealität zu stark vereinfacht – und die Wirksamkeit der Gleichbehandlungskommission daher von vornherein beschränkt.

Gehen wir davon aus, dass die Qualifikation beider in ihrer speziellen Weise passt. Dann lassen sich die Unterschiede an zwei Faktoren festmachen: Die eine Bewerbung steht für Modernität, für weniger Großonkelhaftigkeit und endlich enden wollendes Ersatzkaisertum im machtärms^ten Amt der Republik. Die andere setzt auf Tradition, das Mahnen und Rufen in der Politwüste, auf das in fünf Jahrzehnten erlernte Klischee des Hofburg-Schlusssteins einer langen Karriere. Weiter wie gehabt. Der versprochene Amtsinhalt Autorität soll dann per Wahlsieg zuwachsen (auch wenn sich darauf schon so mancher gerade in den letzten Jahren fälschlicherweise verlassen hat).

Der zweite Unterschied ist – auch wenn dieser Hinweis als sexistisch gilt – das Geschlecht. Und siehe da: Plötzlich gilt das jahrzehntelange Ceterum censeo der Frauenpolitikerinnen nicht mehr. "Frau allein ist kein Kriterium" (stimmt, ist aber auch nicht der Fall), "Frau schon – aber nicht diese": Da kommen wir dem Problem schon näher. Denn auf jeden Hinweis auf die Kompetenz der Kandidatin werden die abstrusesten "Argumente" ge/erfunden, um ihr ebendiese abzusprechen. Ihr Kampf gegen die Sanktionen? "Na, wer hat sie denn verursacht?" (Doch nicht wirklich Frau Ferrero-Waldner?!) Ihre Sprachkenntnisse? "101 Sprachen können (was niemand behauptet, Anm. d. A.), das ist doch ein Witz."

Da werden imaginäre Staatskrisen herbeigeredet, die nur ein "starker Mann in der Hofburg" bewältigen könne. – Gott möge mich und die Republik vor so einem Kraftlackel bewahren.

Da wird gemäkelt, wie "empörend" es sei, dass die Kandidatin "Almosen" verteilt, weil sie sich geweigert hat, das ^Riesenwahlkampfbudget zur Gänze in Plakate oder Manner- Schnitten zu investieren und wenigstens zehn Prozent davon bedürftigen Bürgern zukommen lässt. – Haben nicht gerade Abgeordnete der Grünen ständig darauf hingewiesen, dass sie "Überschüsse" ihres Abgeordnetengehalts sozialen Zwecken zuführen?

. . . vor Emanzipation

Da wird mit sorgenzerfurchter Stirn ein "Machtgleichgewicht zum schwarzen Kanzler" gefordert – der nach den zwei Nationalratswahlen in der ersten Amtsperiode vielleicht schon längst wieder ein roter ist – oder geklagt, dass Schüssel Ferrero-Waldner als sein "Alter Ego" bezeichnet hat. – Aber was kann man/frau schon dagegen tun, was andere sagen. Auch Bruno Kreisky hat manches über Heinz Fischer gesagt, was nicht unbedingt eine Empfehlung ist.

Die Beispiele ließen sich endlos fortsetzen, als Fazit bleibt: In Österreich gibt es keine Frauenbewegung, sondern nur Parteifrauenbewegungen. Ergo: Diese Frau ist für zu Männerbefürworterinnen mutierte Frauenkämpferinnen nicht wählbar, weil sie von der falschen Partei nominiert wurde. Nur zugeben will das keine. So viel Ehrlichkeit hat man nicht, denn man ist ja für Frauen – nur nicht "für diese Frau". Das Parteibuch muss schon stimmen – bei den Frauen, den Pensionisten, den Mietern, den Autofahrern . . . Man/frau behauptet, die Anliegen einer Gruppe zu vertreten, meint, lebt und argumentiert aber Parteistandpunkte.

Dann darf man sich allerdings auch nicht wundern, dass die Macht der Parteien auch bei schwindenden Mitgliederzahlen unangetastet bleibt. Und dass man jedes Aufkommen einer echten parteiübergreifenden Initiative verhindert – indem etwa Elternselbsthilfegruppen in Wien mit dem Rauswurf aus einem gemeindeeigenen Haus bedroht wurden, falls sie sich zu einer echten überparteilichen Kinderlobby zusammenschließen. So ein übles, unberechenbar sachliches Kons^trukt würde ja allen Mächtigen gefährlich. Nur wer parteikonform agiert/pariert, darf sich bewegen. Ob Eltern, Pensionisten oder eben Frauen.

Erschreckend ist in all diesen Auseinandersetzungen, dass die ärgsten Untergriffe gegen Frauen in der Regel ausgerechnet von Frauen kommen – angeblich im Namen der politischen Reife. In Wirklichkeit aber aus Parteiräson. Praktischer Nebeneffekt: Man erspart damit den Männern aus den eigenen Reihen das schmutzige Argumentationsgeschäft.

Peter Roos hat in seinem "Aufruf" (17. 4.) zu Recht daran erinnert: Wer eine Frau will, muss eine Frau wählen.

Wer den Beweis will, dass Frauen vieles anders, manches besser machen, muss eine Frau wählen. Und wer auch nur den Beweis will, dass eine Frau ihre Sache genauso gut macht wie ein Mann, damit das leidige Thema "Frau/Mann" in Zukunft endlich abgehakt ist, muss eine Frau wählen. Ohne Rücksicht aufs Parteibuch.

Am Tag des Amtsantritts mutiert der/die Parteikandidat/in doch ohnehin zum überparteilichen Geschöpf. Oder ist das auch nur wieder eine fromme österreichische Lüge zur Absicherung jahrzehntelanger Parteikarrieren – vorausgesetzt natürlich, es war/ist die "richtige"? (DER STANDARD, Printausgabe, 21.4.2004)