Bild nicht mehr verfügbar.

"Den Sprit braucht jeder und kauft jeder"

Foto: APA/Jaeger
Standard: Der Rohölpreis ist im Höhenflug. Wie geht´s weiter?

Strassl: Eine Prognose in diesem Bereich ist schon falsch, wenn man sie ausspricht. Da gibt es Optionen in jede Richtung.

Standard: Könnte das Preisniveau noch vor Beginn der Reisesaison sinken und könnten damit auch die Spritpreise deutlich niedriger werden?

Strassl: Es gibt Erfahrungsdaten, die uns bei der Einschätzung etwas helfen. Da ist die Opec, die zuletzt in Wien eine Förderkürzung beschlossen hat. Das ist ein Hinweis, dass das Angebot nicht unendlich bleiben soll, auch wenn man sich derzeit nicht an die Beschlüsse hält und mehr produziert als angekündigt.

Standard: Man hat einen starken Rückgang der Nachfrage im zweiten Quartal erwartet, der nicht eingetreten ist.

Strassl: In dieser Zeit werden die Raffinerien (von Winter- auf Sommerprodukte, Anm.) umgestellt, das geht meistens einher mit einem Absacken der Nachfrage. Die politische Situation hat allerdings dazu geführt, dass heuer nichts dergleichen passiert ist. Wir haben eine starke Nachfrage aus China und USA. Wir haben Russland, das sich bemüht, aber von den Transportkapazitäten her beschränkt ist. Wir haben auch eine gewisse Unruhe im weltpolitischen Geschehen. Das deutet darauf hin, dass wir mit stabil hohen Preisen rechnen können.

Standard: Also mittelfristig eher keine Entspannung?

Strassl: Bei den Öl- und Spritpreisen ist noch keine Entspannung in Sicht. Darauf deuten auch die Futures an der Börse, die alle relativ stark sind.

Standard: Wundert es Sie, dass die Treibstoffpreise in Österreich mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder zu einem nationalen Thema werden?

Strassl: Nein, ich bin gelernter Österreicher und weiß, dass hier immer wieder versucht wird, von Seiten des Staates Einfluss auf die Wirtschaft zu nehmen. Die Treibstoffpreise sind aber nicht nur in Österreich Gesprächsstoff, sondern ganz generell ein Thema.

Standard: Warum ist gerade der Spritpreis so sensibel in der öffentlichen Wahrnehmung?

Strassl: Weil den Sprit jeder braucht und jeder kauft. Früher war es der Brotpreis, der im Mittelpunkt stand. Kaum jemand kennt den genauen Spritpreis, aber man weiß in etwa die Tendenz, wohin er sich bewegt.

Standard: Gibt es genügend Wettbewerb bei uns? Autofahrerklubs und Konsumentenschützer bezweifeln das.

Strassl: Der Grund, warum die Preise in Österreich so einförmig sind ist nicht zu wenig Wettbewerb, sondern zu viel. Denn in dem Moment, wo sie heute den Preis an der Tankstelle nur um eine Stelle hinter dem Komma senken, weiß der Wettbewerber das längstens eine Stunde später. Und der reagiert dann prompt, weil er keinen Liter an die Konkurrenz verlieren will.

Standard: Die reinen Treibstoffpreise, bereinigt um Steuern und Abgaben, liegen in Österreich deutlich über dem EU- Durchschnitt. Schaufelt die Branche da ein Körberlgeld?

Strassl: Nein. Österreich ist ein Binnenland, das heißt, im Primärtransport entstehen automatisch höhere Kosten.

Standard: Was heißt das?

Strassl: Wir müssen Fertigprodukte über eine weite Strecke heranschaffen oder aus der Raffinerie in Schwechat beziehen, wohin das Rohöl aber auch erst kommen muss.

Standard: Und was noch?

Strassl: Aufgrund diverser Umweltauflagen bauen wir in Österreich die teuersten Tankstellen die es gibt. Wir haben aber auch Nachteile im Gewerberecht. Shops dürfen nur 80 Quadratmeter haben, wir dürfen keinen Tabak verkaufen, außer mit Gastgewerbelizenz, und dann muss beim zugeordneten Trafikanten eingekauft werden. Das dichte Tankstellennetz kostet ebenfalls Geld.

Standard: Nach dem Benzingipfel vor Ostern hat Wirtschaftsminister Martin Bartenstein die Erwartung geäußert, in ein bis zwei Jahren auch in Österreich bei den Treibstoff-Nettopreisen auf EU- Durchschnitt zu kommen. Ist das realistisch?

Strassl: Unsere Binnenlage wird sich nicht verändern und ich weiß nicht, ob der Herr Minister die Nachteile, die aus dem Gewerberecht stammen, in irgendeiner Form verändern kann. Ich bin skeptisch.

(Günther Strobl, Der Standard, Printausgabe, 21.04.2004)