Wien - Die EU-Erweiterung am 1. Mai hat eine Diskussion über Steuersätze laut werden lassen. Die westlichen EU-Länder sehen sich einem verstärkten Steueranpassungsdruck nach unten ausgesetzt, da die neuen EU-Mitglieder nicht nur mit geringeren Arbeitskosten, sondern auch mit attraktiveren Steuersystemen aufwarten. Österreich hält mit der Steuerreform 2004/05 vor allem bei der Körperschaftssteuer (KöSt) für Kapitalgesellschaften dagegen, die von 34 auf 25 Prozent gesenkt wird.

Von Österreichs Nachbarländern haben damit Ungarn (16 Prozent) und die Slowakei (19 Prozent) bereits heute einen niedrigeren KöSt-Satz, als ihn Österreich ab Anfang 2005 bekommen wird. Aber auch Polen (19 Prozent) und die drei baltischen Staaten warten mit niedrigeren KöSt-Sätzen auf. Estland hat zwar einen Mischsatz von rund 35 Prozent, doch sind einbehaltene Gewinne überhaupt steuerfrei. Tschechien plant eine Senkung seines KöSt-Satzes von 28 auf 26 Prozent 2005 und weiter auf 24 Prozent 2006. Aber auch bei den Höchstsätzen zur Einkommensteuer liegen die Beitrittsländer deutlich unter den in Österreich geltenden 50 Prozent, geht aus einer Aufstellung des Newsletters "taxtip" hervor. Die Slowakei ist mit ihrem heuer eingeführten Einheitssteuersatz von 19 Prozent zum attraktivsten Standort aus Sicht von Investoren geworden und hat damit bereits, in Kombination mit vergleichsweise niedrigem Lohnniveau, massives Interesse der internationalen Autoindustrie ausgelöst.

Beschwerden aus Deutschland

In Deutschland hat Kanzler Gerhard Schröder die Frage des Steuerwettbewerbs aus Sicht der Nettozahler aufs Tapet gebracht. Es sei zu hinterfragen, ob ein Beitrittsland hohe Transferzahlungen auf Kosten der EU-Geberstaaten verlangen und zugleich über niedrige Unternehmenssteuern Produktionsbetriebe aus den EU-15 abwerben "dürfe". Auch der schwedische Premier Göran Persson kritisierte, dass die "unfaire Steuerkonkurrenz" der Beitrittsländer die Ressourcen für deren Wirtschaftswachstum mindern würden. Diese Differenz müsse von den westlichen EU-Ländern über höhere Budgetbeiträge finanziert werden. Doch verläuft die Front auch zwischen Altmitgliedern. Von bayrischer Seite kam beispielsweise der Vorwurf an die staatliche Betriebsansiedlungsgesellschaft Austrian Business Agency (ABA), dass Österreich mit Steuerargumenten bayrische Betriebe abwerbe.

Dass nominelle Steuersätze nur eine Seite der Medaille sind, darauf verweist vor allem die Arbeiterkammer. Sie hat ermittelt, dass schon jetzt die effektive KöSt-Belastung in Österreich unter 20 Prozent liege und befürchtet ein "Ausrinnen" dieser Unternehmenssteuer durch weiteres Lizitieren nach unten. Dabei geht es den AK-Experten um die Sorge, dass vom verringerten Steueraufkommen zwar die Unternehmer profitieren, das Sozialsystem aber immer schwieriger finanzierbar werde. Der Vorwurf ist nicht von der Hand zu weisen. Laut Eurostat scheint beim Vergleich der 25 "alten und neuen" EU-Länder ein Zusammenhang zwischen niedrigen KöSt-Sätzen und niedrigen Sozialquoten gegeben: Länder mit besonders niedrigen KöSt-Sätzen (Irland, Slowakei) liegen auch bei den Sozialquoten am unteren Ende der Tabelle.

Effektive Steuerbelastung

Die Wirtschaftsberater von Ernst&Young (nunmehr CapGemini) haben die effektive Steuerbelastung alter und neuer EU-Mitgliedsländer verglichen. In Deutschland mussten Unternehmen 2003 eine effektive Steuerlast von 37 Prozent einkalkulieren, in Frankreich 35 und in Großbritannien 29 Prozent. Dagegen stünden Ungarn mit 19 Prozent, Lettland mit 18 Prozent und Litauen mit 13 Prozent. Der slowakische Finanzminister Ivan Miklos konterte: "Der wahre Grund für die Kritik von Deutschland und anderen EU-Staaten ist ihre sinkende internationale Wettbewerbsfähigkeit". Und Estlands Ex-Finanzminister Tonis Palts setzte nach: "Wir machen die beste Steuerpolitik in Europa: einfaches System, niedrige Sätze". Kritiker der Niedrigsteuer-Philosophie warnen allerdings vor möglichen budgetären Auswirkungen. Polen, die Slowakei, Tschechien und Ungarn lagen mit ihrer Neuverschuldung 2003 deutlich über der EU-Defizitgrenze von 3 Prozent.

Der Finanzexperte des Institutes für Höhere Studien (IHS), Christian Helmenstein, bezeichnete die "Flat tax" gegenüber der APA als "steuerlich optimal in der Theorie". Je komplizierter ein Steuersystem sei, desto eher verleite dies zur Steuervermeidung und Schattenwirtschaft. Es gebe aber Grenzen für die Vereinfachung. Wenn eine Flat tax zu geringeren Steuereinnahmen führe, habe der Staat weniger Mittel für Investitionen in die Infrastruktur, was sich wachstumshemmend auswirke. "Die Slowakei ist ein Realexperiment. Wir werden erst in ein paar Jahren sehen, wie sich das auswirkt", meint Helmenstein. Ein Beweis für die Richtigkeit der Flat-tax-Theorie wäre, wenn die niedrigere Steuerbelastung zu mehr Wachstum und damit insgesamt höheren Steuereinnahmen führen würde, womit die öffentlichen Aufgaben in gewohntem Ausmaß weiter betrieben werden könnten.(APA)