Foto: Der STANDARD/Donaufestival/Helmut Lackinger

Krems - So wirkungsvoll kann man Leere akzentuieren. Ein höchst kunstvoll gewundener Stahldrahtbaum hatte sich als Blickfang in den Bühnenboden verkrallt, ein paar Musikinstrumente standen bereit, ein Kalimba-Spieler, auf der zweistufigen Empore sitzend, erfüllte die Voestalpine-Werkhalle im Kremser Stadtteil Lerchenfeld mit flirrend-flüchtigen Obertönen.

Viel, viel Raum wartete darauf, mit Aktion, Tanz und Klang erfüllt zu werden, Raum, der, so schien es, auch der Fantasie des Publikums anregende, ungewohnte Reisen ermöglichen würde. Schließlich ist eine Zusammenarbeit zwischen einer österreichischen Regisseurin mit einer Theatergruppe aus Mosambik kein eben alltägliches Ereignis.

Dass im Zuge der freitägigen Premiere von Romeu e Julieta, Resultat der Kooperation der in Maputo beheimateten Theatergruppe Hôpangalatana mit der Regisseurin Renate Jett, die erwarteten Gedankenflüge freilich am Boden kleben blieben, anstatt neuer Sichtweisen Eindimensionalität geboten wurde, dies hatte vielleicht damit zu tun, dass hier das Pferd von der falschen Seite her aufgezäumt worden war:

Am Anfang stand nicht die konkrete Idee, sondern die vage Form - Jetts Wunsch, in Afrika Theater zu machen -, die erst sekundär mit Shakespeare-Inhalt gefüllt wurde. Indem sich Renate Jett eine freiere Neuinterpretation der ältesten und (potenziell) jüngsten Liebesgeschichte der Welt versagte, blieb im Grunde das seltsame und redundante Erlebnis eines Stücks aus dem elisabethanischen England mit Schauplatz Verona, in portugiesischer Sprache dargeboten von afrikanischen Schauspielern.

Da fiel dann auch kaum mehr ins Gewicht, dass die Rollen oft nicht bis ins letzte mimische oder gestische Detail durchgestaltet schienen, sich die zweifellos ambitionierten Akteure - und das betraf auch die Protagonisten Tsé Tsé (Romeo) und Natacha Naftal (Julia) - mit durchaus unterschiedlichem Erfolg an diesem historischen europäischen Stoff abarbeiteten.

Für eine gewisse "Erdung" sorgten allein die kraftvollen (wenn auch dramaturgisch nicht immer zwingenden) Tanzeinlagen, die kurzzeitig Assoziationen an eine afrikanische West Side Story aufkommen ließen, und die wuchtigen, von Balafon und E-Bass unterstützten Trommelrhythmen des Ensembles Musicambique, das wohl auch konzertant gute Figur machen würde.

Gewiss, Experimente müssen auch scheitern dürfen - auf die daraus gezogenen Schlüsse kommt es an. Um wirklich unter der touristischen Oberfläche zu kratzen, bedarf es jedenfalls Ausdauer und Zeit. Mehr Zeit, als ein Urlaubsabstecher nach Afrika bringt. (Andreas Felber/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19. 4. 2004)