Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong II.

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Peking/Seoul - Nur wenige Tage nach ihren kontroversiell verlaufenenen Gesprächen mit US-Vizepräsident Dick Cheney hat die chinesische Führungsspitze am Montag den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Il in Peking empfangen. Der Parteichef und Armee-Oberbefehlshaber sei mit einer 30- bis 40-köpfigen Delegation von Pjöngjang mit einem Sonderzug nach China gereist, wo er vier Tage bleiben wolle, berichtete die südkoreanische halbamtliche Nachrichtenagentur Yonhap. Seine Gesprächspartner seien Staats- und Parteichef Hu Jintao und dessen Vorgänger Jiang Zemin, der als Vorsitzender der Militärkommission und Armee-Oberbefehlshaber nach wie vor als starker Mann des Regimes gilt.

Weder die chinesische Regierung noch die nordkoreanische Botschaft in Peking wollten den Besuch Kim Jong Ils offiziell bestätigen. Hu habe Kim Jong Il über den Besuch Cheneys in der vergangenen Woche informiert, meldete Yonhap. Cheney hatte von China mehr Druck auf Nordkorea verlangt und zugleich zur großen Verärgerung seiner Gastgeber die Einstellung amerikanischer Waffenlieferungen an Taiwan abgelehnt.

In Peking hatte Cheney Befürchtungen geäußert, Nordkorea könnte in naher Zukunft terroristische Gruppen wie Al Kaida mit Atomwaffen beliefern. Zudem brachte er Geheimdienstmaterial mit, laut dem dem pakistanischen Atomforscher Abdul Qadeer Khan bei einem Besuch in Nordkorea vor fünf Jahren geheime Atomanlagen gezeigt worden wären. Ein Sprecher des nordkoreanischen Außenministeriums hatte Cheney daraufhin als "geistesgestört" beschimpft. Die US-Regierung wirft Nordkorea vor, am Bau von Atombomben zu arbeiten und fordert die kompromisslose Offenlegung des Atomprogramms.

Politische Beobachter gingen davon aus, dass Kim Jong Il China davon überzeugen will, sich in dem Konflikt mit den USA hinter Nordkorea zu schlagen. Peking sei seinerseits daran interessiert, dass sich der Konflikt nicht ausweite, sagte Paul Harris, Asien-Experte von der Lingnan Universität in Hongkong. China organisiert die Sechs-Staaten-Gespräche zum nordkoreanischen Atomprogramm, an denen die USA, China, Nordkorea, Südkorea, Russland und Japan teilnehmen. Bis Ende Juni ist eine weitere Runde geplant.

In dem Gespräch mit Hu ging es laut Yonhap auch um chinesische Wirtschaftshilfe sowie um die wirtschaftlichen Reformen in Nordkorea. Laut Medienberichten soll Kim Jong Il auch das Zentrum für Computertechnologie Zhongguancun besuchen. Für den Besuch wurden starke Sicherheitsvorkehrungen getroffen.

Nach seinen Gesprächen in Peking hatte Cheney erklärt: "Es wäre ein Fehler für uns Amerikaner, das Ausmaß der bestehenden Differenzen (mit China) zu unterschätzen." Von der Pekinger Führung forderte er nach Angaben aus US-Delegationskreisen mehr "Aggressivität" in der Frage des nordkoreanischen Atomprogramms. (APA/AP/dpa)