Immer wenn George W. Bush und Tony Blair aufeinander treffen, wird dem Publikum das Schauspiel unverbrüchlicher angloamerikanischer Freundschaft dargeboten. Schon im Vorfeld seines - eher zwanglosen - Besuches in Washington hatte der britische Premier bei seiner Einschätzung der brisantesten weltpolitischen Themen - Nahost, Irak - tunlichst die Gemeinsamkeiten Washington-London hervorgestrichen. So sieht Blair die Roadmap durch Bushs Unterstützung für Ariel Sharon keineswegs gefährdet. Und was im Irak wirklich zähle, seien "gemeinsame Ziele und Zwecke". Daran scheinen für Blair auch zwei Wochen massiver Unruhen nichts geändert zu haben.

Blairs Harmoniebekundungen täuschen darüber hinweg, dass Amerikaner und Briten über Ziele und Zwecke im Irak in letzter Zeit auch kontroversielle Ideen entwickelt haben. Die Engländer stoßen sich an der ruppigen Niederschlagung der Unruhen durch die Amerikaner, die für die Befriedung des Landes kaum hilfreich ist. Zudem macht sich Skepsis breit, dass der Irak so schnell reif für die Demokratie sein könnte, wie dies Bush gern hätte. Dass selbst ein so notorisch US-freundliches Blatt wie der Spectator eine Story mit dem provokanten Titel "Unter Saddam war’s besser" publiziert, lässt einige Rückschlüsse auf die Stimmung in der britischen Öffentlichkeit zu.

Hinter der nach außen hin geschlossenen Front ist Blair also durchaus an einer Modifikation der US-Positionen gelegen. In diesem Licht ist auch seine Forderung nach einer verstärkten Einbindung der UNO zu verstehen, die er nach seinem Treffen mit Kofi Annan am Donnerstag erhoben hat. Damit hat er auch gegen sein Image als allzu willfähriger Partner der Amerikaner angearbeitet, das für ihn zu einem innenpolitischen Handikap geworden ist. Ein Glück nur, dass Blair auf eine konservative Opposition zählen darf, die nicht imstande ist, selbst aus den günstigsten Vorgaben Vorteile für sich herauszuschlagen. (DER STANDARD, Printausgabe, 17./18. 4. 2004)