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Wien – "Müde bin ich, gebt's a Ruh'" – der quälende Drang, die Beine, manchmal auch die Arme, zwanghaft bewegen zu müssen, bringt schätzungsweise 900.000 Menschen in Österreich regelmäßig um ihren Schlaf. Das "Restless Legs Syndrom" (RLS) betrifft demnach mehr Patienten als Diabetes mellitus. Trotzdem handelt es sich um ein weitgehend unbeachtetes Krankheitsbild. Eine Heilung ist bisher nicht möglich, mit Medikamenten kann aber Beschwerdefreiheit erzielt werden. Darauf machten Fachärzte und die "Selbsthilfegruppe Restless Legs" für Wien und Burgenland aufmerksam.

Falsche Diagnosen

Die "unbekannte Volkskrankheit" sei häufig falsch diagnostiziert worden. Viele Betroffene unterzogen sich einer Venenoperation, die ihre Beschwerden nicht besserte. Dann folgte oft ein "Marathon" durch Schul- wie Alternativmedizin. Nicht selten landen Patienten als "neurotisch" bei Psychiater oder Psychotherapeut. "Niemand verstand mich, darüber hinaus wurde ich von meinen Ärzten, die einfach nichts finden konnten, als Hypochonder dargestellt", berichtete ist Lea Stephan, Leiterin der Selbsthilfegruppe Restless Legs und seit rund 40 Jahren Betroffene.

Verminderte Schlafeffizienz

RLS äußerst sich als unbändiger Bewegungsdrang mit Gefühlsstörungen in den betroffenen Extremitäten, der nur während Ruhephasen auftritt. Theaterbesuche, langes Sitzen beim Autofahren oder im Büro wird fast unmöglich, vor allem aber stört das Syndrom den Schlaf. Schwere Depressionen können die Folge sein. Das Team um den Wiener Schlafforscher Univ.-Prof. Dr. Bernd Saletu hat RLS-Patienten untersucht. Sowohl die Gesamtschlafzeit als auch die Schlafeffizienz seien erheblich vermindert.

Störung im Dopamin-System

Die Ursache des Leidens ist eine Störung im Dopamin-System. Dopamin ist ein Nervenbotenstoff zur Steuerung der Bewegungskoordination. Es dürfte eine gewisse familiäre Disposition geben. In den meisten Fällen liegt das Syndrom als idiopathische Form – ohne erkennbare Ursache – vor. Von symptomatischem RLS wird gesprochen, wenn es durch eine andere Grunderkrankung ausgelöst wird. Das kann Zuckerkrankheit sein oder eine Harnvergiftung. Auch Vitamin B-, Folsäure- und Eisen- und v.a. Ferritinmangel tragen zur Verstärkung der Symptome bei.

Die Auslöser

Auslöser für die "unruhigen Beine" sind Stress, Nikotin, Alkohol, Kohlensäure, Koffein und Zuckerersatzstoffe in Light-Getränken (Aspartam) sowie der Geschmacksverstärker Glutamat. Betroffene sollten "Konsumgifte" daher meiden. Auch der am Abend gegessene Schweinsbraten steht im Verdacht. Wer hingegen abends Fisch isst und dazu einen Liter Leitungswasser trinkt, kann die quälenden Symptome reduzieren, so die Experten.

Bei der Behandlung kommen vorwiegend Parkinson-Medikamente zum Einsatz. Meist verschwinden die Symptome bereits nach einer Woche. Allerdings ist eine Dauertherapie nötig. Das Medikament "Restex" (Kombination von Levodopa und Benserazid) wurde weltweit als erste Spezialität mit der Indikation RLS zugelassen und ist seit 1. April in Österreich kassenfrei im Handel. (APA)