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Weltweit Proteste gegen Robbenjagd Die kanadische Regierung hat das größte Robbenschlachten seit Jahrzehnten genehmigt. Bis Mitte Mai dürfen im Nordosten des Landes 350.000 Tiere getötet werden. Tierschützer sprechen von einem "unentschuldbaren Massaker".

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Montreal - Trotz weltweiter Proteste von Tierschützern haben Jäger in Kanada am Montag den Startschuss zur größten Robbenjagd seit Jahrzehnten gegeben. Mit der ausdrücklichen Genehmigung der kanadischen Regierung begannen die Robbenfänger ihre Streifzüge durch die Eislandschaft von Neufundland auf der Halbinsel Labrador. Die kanadischen Behörden haben die Zahl der heuer für die Jagd freigegebenen Tiere auf 350.000 erhöht - im vergangenen Jahr waren 300.000 Robben getötet worden.

Vor allem die zwischen Grönland und Neufundland lebenden Sattelrobben können gejagt werden. Die Jagdsaison endet Mitte Mai. Bis Ende kommenden Jahres sollen insgesamt rund eine Million Robben getötet werden.

Starke Zunahme

Hintergrund ist die starke Zunahme der Robbenpopulation seit den in den 80er-Jahren erlassenen Einschränkungen der Jagd. Nach Angaben des kanadischen Amtes für Fischerei und Ozeane erhöhte sich die Zahl der Sattelrobben von 1,8 Millionen im Jahr 1970 bis heute auf 5,2 Millionen. Wenn die Jagdquote von 975.000 erfüllt werde, werde es 2006 noch 4,6 Millionen Sattelrobben geben.

Fischereiminister Robert Thibault hatte die Tiere bei der Ankündigung der neuen Jagdquote im vergangenen Jahr als "natürliche Ressource" bezeichnet, die rund 12.000 Robbenfängern ein geregeltes Einkommen sichere. Robben gelten zudem als Bedrohung der Fischbestände.

Tierschutzorganisationen sprachen vom größten Robbenschlachten seit 1960; Aktivisten filmten die Jagd auf dem Eis.

"Das ist das größte und grausamste Massaker an Meeressäugern auf unserem Planeten", sagte Rebecca Aldworth von der Organisation International Fund for Animal Welfare (IFAW). "Wir dachten, wir hätten in den 80er-Jahren gewonnen, aber jetzt hat die Jagd wieder zugenommen."

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hält sich dagegen inzwischen mit Kritik zurück. "Die Spezies ist im Gegensatz zu anderen Meeressäugern, für die wir uns einsetzen, nicht bedroht", sagte Greenpeace-Vertreter Steven Guilbeault der kanadischen Zeitung Le Devoir.

Lebendig gehäutet

Vorschriften der kanadischen Behörden für eine schnelle Tötung von Tieren würden "straflos ignoriert", behauptet IFAW. Unzählige Meeressäuger würden bei lebendigem Leib gehäutet. Mitglieder des belgischen Parlaments, die zu den Beobachtern der Robbenjagd gehören, sprechen von einem "unentschuldbaren Massaker an wehrlosen Jungtieren". "Was wir gesehen haben, ist eine Schande", berichtete der Abgeordnete der liberalen belgischen Partei WLD, Jean-Marie Dedecker. Er fordert ein EU-weites Verbot des Imports von Robbenfellen aus Kanada. Belgien habe bereits eine entsprechende Verordnung erlassen.

Das kanadische Fischereiministerium widersprach den Darstellungen: "Zu 98 Prozent werden die Tiere durch das Zerschmettern der Schädel getötet, ehe sie gehäutet werden", hieß es.

Die kanadische Regierung hatte die kommerzielle Robbentötung 1987 untersagt, jedoch 1995 unter Auflagen wieder zugelassen. Für 2003 bis 2005 wurde eine Rekordschlachtquote von insgesamt etwas mehr als einer Million Tiere erlaubt. Das Fischereiministerium begründete dies damit, dass die Robben sich stark vermehrt und dabei auch die Kabeljau-Bestände dezimiert hätten. Eine einzige ausgewachsene Robbe brauche zwischen 25 und 30 Kilogramm Fisch pro Tag.

Überfischung

Dagegen machen die Tierschützer eine unkontrollierte Überfischung für den Zusammenbruch der Kabeljau-Bestände verantwortlich. Zu den Hauptabnehmerländern für kanadische Robbenfelle gehören Norwegen, Dänemark und China. (APA, AFP, dpa, simo/DER STANDARD; Printausgabe, 14.4.2004)