Monica Gonzales und Helene Gjerres in "Il Giasone".

Foto: Stadttheater
Als Schüler Monteverdis der venezianischen Operntradition verpflichtet, erzählt Francesco Cavalli den Medea-Stoff mit nahezu operettenhaft durchtriebener Keckheit: Die mythologische Vorlage wird von Textdichter Cicognini ihrer blutrünstigen Grausamkeiten entledigt: Jasons Untreue wird bei Il Giasone durch kluges Taktieren der gehörnten Medea mit der Heirat der geschwängerten Isifile "bestraft". Ein von Roland Aeschlimann entworfener, in seiner Einfachheit bestechender, begehbarer Kubus bildet den zentralen Ort des Geschehens: Jede durch Drehung veränderte Seitenansicht verbindet symbolhafte, in sich wandelbare geometrische Figuren mit den einzelnen Szenen.

Dafür, dass Hedonismus und Sinnesfreuden zu kurz kommen, sorgt die Regie Anouk Nicklischs, die sich allzu sehr um einen "dokumentarischen" Ablauf bemüht; darüber können auch plumpe Scherzchen nicht hinwegtäuschen: Fensterln an der Himmelspforte(?) zum Zwecke der "Eroberung" des Goldenen Vlieses.

Eine stimmliche Klasse für sich repräsentiert der Countertenor Nicola Marchesini als Jason, der über verblüffende Dynamik sowie höchst differenzierte Klangfärbung verfügt. Auf ähnlich hohem Niveau bewegen sich die Sopranistinnen Helene Gierris als ausdrucksstarke Medea und Eva Liebau (Amor). Dirigent Nicholas Kok führt das Orchester mit im Verlauf des Abends an Präzision gewinnender Übersicht durch die an Affekten und rhetorischen Figuren reiche Partitur, wobei Intonation und Homogenität auf der Strecke bleiben. Barockes Musiktheater als dreistündiges Sozialdrama. (bay/DER STANDARD, Printausgabe, 13.4.2004)