Acht Wochen nach den Parlamentswahlen im Iran, bei denen die Reformkräfte politisch marginalisiert wurden, steht eine große Kabinettsumbildung bevor. Der iranische Innenminister Abdolwahed Mussawi Lari deutete an, dass er wegen den seiner Meinung nach nicht korrekt verlaufenen Wahlen am 20. Februar und Differenzen mit dem Wächterrat zurücktreten will. "Weder ich noch das Volk können über den Verlauf der Parlamentswahlen zufrieden sein", meinte er nach der letzten Kabinettssitzung. Weitere drei Minister, u. a. der Wirtschaftsminister, werden das Kabinett verlassen. Alle gelten als enge Vertraute von Präsident Mohammed Khatami.

Der Wächterrat hat inzwischen in mehreren Wahlkreisen, die an die Reformer gefallen waren, die Wahlergebnisse umgedreht, indem er Stimmen für die gemäßigten Wahlsieger für ungültig erklärte, wodurch ein konservativer Kandidat nach vorne kam. Das stieß sogar bei gemäßigten Konservativen auf Kritik. "Ein Parlament ohne Opposition ist kein Ruhmesblatt für die Islamische Republik", schrieb die Zeitung Hamshari in einem Leitartikel.

Inzwischen nehmen die Diskussionen über den nächsten Parlamentspräsidenten zu, nachdem der Amtsinhaber, Mehdi Kharrubi, nicht wiedergewählt worden ist.

Es muss ein Mullah sein

Aus der heiligen Stadt Ghom werden Stimmen laut, die nur einen Mullah für den Posten des Parlamentspräsidenten geeignet sehen, der erzkonservative Wahlsieger Gholam Ali Hadad Adel, der als sicherer Anwärter dafür galt, würde diese Voraussetzungen nicht erfüllen.

Präsident Khatami scheint in seinem letzten Amtsjahr nicht gewillt zu sein, die Reformen weiter voranzutreiben. Er hat sogar zwei von ihm dem Parlament vorgelegte Gesetzesvorlagen über Wahlreform und Präsidentenbefugnisse zurückgezogen. An einen Rücktritt denkt er aber nicht, sagte er am Rande eines Jugendseminars in Teheran. "Ich werde demnächst zur aktuellen Situation Stellung nehmen", vertröstete er iranische Journalisten am Wochenende. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.4.2004)