Ehemaliger demokratischer Senator Kerrey kritisiert "fehlerhafte" Anti-Terrorstrategie der Bush-Administration
Redaktion
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Washington/Fort Hood - Die Anschläge vom 11. September 2001 in New
York und Washington hätten nach Meinung eines Mitglieds der damit
befassten unabhängigen US-Untersuchungskommission verhindert werden
können. Dazu hätten die zuständigen Strafverfolgungsbehörden und
Nachrichtendienstbeamten vorhandene Ermittlungsansätze im Vorfeld der
Anschläge vernetzen müssen, die auf in den USA befindliche
Terroristen hingewiesen hätten, schrieb der frühere demokratische
Senator für den US-Staat Nebraska, Bob Kerrey, in einem Beitrag für
die "New York Times". So habe die nationale
Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice es im Juli 2001 versäumt, nach
einem konkreten Hinweis ihres damaligen Anti-Terror-Beraters Richard
Clarke die Vernetzung der US-Bundesbehörden voranzutreiben.
"Klar, kraftvoll und unmissverständlich"
Etwa zur gleichen Zeit habe ein FBI-Agent in Phoenix in Arizona
angeregt, eine Untersuchung über verdächtige Aktivitäten von
El-Kaida-Mitgliedern in Flugschulen zu beginnen, schrieb Kerrey
weiter. Rice habe diese Information nicht erhalten. Dafür mache er
sie zwar nicht verantwortlich, aber niemand in der US-Regierung habe
nach den Vorschlägen Clarkes ernsthaft an deren Umsetzung gearbeitet.
Er habe in seinen Ermittlungen keinen Hinweis darauf gesehen, dass
die US-Bundesbehörden "klar, kraftvoll und unmissverständlich"
angewiesen worden seien, dem Präsidenten über ihre in den USA gegen
El Kaida gerichteten Aktivitäten zu berichten.
Verantwortung
Kerrey fügte hinzu, die Verantwortung dafür, dass die
Terroranschläge nicht verhindert wurden, laste zu gleichen Teilen auf
Republikanern und Demokraten in allen Bereichen der Regierung. Dem
11. September 2001 vorangegangen seien verpasste Chancen des früheren
Präsidenten Bill Clinton zur Festnahme oder Tötung von
El-Kaida-Anführern, Informationen an Rice und Präsident George W.
Bush über El Kaida in den USA im Jänner 2001 sowie das Memo an Bush
vom August 2001, in dem von "70 laufenden Ermittlungen" der
Bundespolizei FBI gegen El Kaida und den Vorbereitungen von
Flugzeugentführungen die Rede gewesen sei. "Es war ein kollektives
Versagen", schrieb Kerrey.
"Fehlerhaftigkeit"
Für Kerrey ist klar, dass die derzeitige Strategie der USA im
Kampf gegen den Terrorismus fehlerhaft sei. Bushs Vision für diesen
Kampf sei sowohl aus militärischer als auch aus ziviler Sicht falsch,
erklärte der frühere Soldat einer Spezialeinheit der US-Marine. Ohne
eine Bemühung um einen Dialog, der respektvolle Kritik und auch
Meinungsverschiedenheiten zulasse, werde die Terrorismusbekämpfung
"sicher scheitern" und die Gewalt gegen die USA weitergehen. Die Zeit
sei im Irak nicht auf der Seiten der USA. "Wir brauchen nicht ein
bisschen mehr von der selben Sache. Wir brauchen wesentlich mehr von
etwas vollständig anderem."
Bush: Es gab keine Hinweise
US-Präsident George W. Bush hat am Sonntag hingegen erneut Vorwürfe zurückgewiesen, er habe Warnungen vor möglichen
Terroranschlägen auf amerikanischem Boden vor dem 11. September 2001
außer Acht gelassen. Ein ihm fünf Wochen vor den Anschlägen von New
York und Washington vorgelegtes Informationspapier habe keinerlei
spezielle Hinweise auf eine Bedrohung enthalten, die eine Reaktion
erfordert hätten, sagte Bush am Rande eines Truppenbesuches in Fort
Hood (Texas). "Es ist ganz einfach: Hätte ich gewusst, dass derartige
Anschläge drohen, dann hätten wir gehandelt", erklärte der Präsident.
Das Weiße Haus hatte das bisher geheime Papier vom 6. August 2001
am Samstag veröffentlicht. In dem Memorandum ist unter anderem von
aktiven Zellen der Terrororganisation El Kaida auf amerikanischem
Boden und der Möglichkeit von Sprengstoffanschlägen und
Flugzeugentführungen in den USA die Rede - allerdings ohne Hinweis
auf Zeitpunkt und etwaige Ziele und auf eine Verwendung von
entführten Flugzeugen als Waffen. (APA/AFP/dpa)
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