Bild nicht mehr verfügbar.

Polizeikommissar Jean-Pierre Verduyckt glaubt, dass Dutroux noch nicht alles gestanden hat.

Foto: APA/ David Martin
Im Prozess gegen den mutmaßlichen Kindermörder Mark Dutroux sagte am Freitag ein Polizeikommissar, der Hauptangeklagte habe vermutlich mehr einschlägige Taten begangen, als er eingestanden hat.
***

Arlon - Der mutmaßliche Mädchenmörder Marc Dutroux hat möglicherweise mehr Straftaten begangen als bisher angenommen. Auch zwei weitere Vergewaltigungen, ein Mordversuch und eine fehlgeschlagene Entführung könnten auf sein Konto gehen, sagte der Polizeikommissar Jean-Pierre Verduyckt am Donnerstag im Schwurgericht von Arlon.

"Ich gehöre zu denen, die glauben, dass er nicht alles gestanden hat", erklärte der Fahnder im Zeugenstand. Ein Kripo-Inspektor habe aber seinerzeit verschiedene Taten von Dutroux gedeckt.

Kein Protokoll

Verduyckt war einer jener Polizisten, die nach der Festnahme von Dutroux im Sommer 1996 am Bürgertelefon einschlägige Hinweise sammelten. Mehrere Fälle deuteten auf Dutroux als Täter hin: In einem Fall von 1995 sei ein Mädchen in ein Auto gezerrt und vor seiner Vergewaltigung betäubt worden, bevor es nach mehreren Messerstichen liegen gelassen wurde.

Nach einer anderen Vergewaltigung habe Kripo-Inspektor Georges Zicot eine Zeugenaussage nicht protokolliert, sagte der Kommissar. Zicot ist zusammen mit Dutroux in einem anderen Fall wegen Verstoßes gegen das Berufsgeheimnis angeklagt.

Bereits am Tag davor hatte ein anderer Ermittler im Prozess Indizien gegen die Einzeltäterhypothese vorgebracht. Jean-Pierre Adam, der nach eigenen Worten ungerechtfertigt von den Ermittlungen gegen Dutroux abgezogen worden war, zog eine Verbindung zwischen Dutroux - angeklagt der Entführung und Vergewaltigung von sechs Mädchen (vier starben) - und der organisierten Prostitution in Belgien.

Unter anderem sei in der Wohnung von Dutroux eine Visitenkarte eines Hotels gefunden worden, dessen Besitzer des Menschenhandels verdächtigt werde. Dieser Mann habe mit zwei Entführungsopfern, An Marchal und Eefje Lambrecks, wenige Stunden vor deren Verschleppung geplaudert, sagte ein weiterer Zeuge vor Gericht aus.

Ermittlungen abgelehnt

Ermittler Adam betonte, sein Wunsch, möglichen Verbindungen von Dutroux zum Kriminellenmilieu in dessen Heimatort Charleroi nachzugehen, sei ihm vom Untersuchungsrichter Jacques Langlois verwehrt worden; mit den Worten, dies passe nicht in seiner Annahme vom Einzeltäter, es sei nicht seine Aufgabe als Untersuchungsrichter, dem Kriminellenmilieu von Charleroi einen "Fußtritt" zu geben.

Auch diese Verweigerung ist für die Angehörigen der Opfer ein Indiz dafür, dass nachlässig ermittelt wurde. Sie treten als Nebenkläger auf, um mit ihren Anträgen eine bessere Durchleuchtung des Falles zu erwirken. ( dpa,DER STANDARD Printausgabe 9.4.2004)