Sieht seinem Bruder Keith nicht unähnlich, hat aber durchaus eigenes Musikprofil - Chris Jarrett.

Foto: Donaufestival
Krems - Roger Clintons großer Bruder ist wenigstens nur amerikanischer Expräsident und Hobby-Jazz-Saxofonist. Der von Uzzi Förster war bloß weltweit anerkannter Kybernetiker. Chris Jarrett hingegen muss da mit einer ganz anderen familiären Hypothek leben. Hat er es als Pianisten-kollege seines elf Jahre älteren Bruders Keith doch ungleich schwerer, aus dessen Schatten zu treten.

Beinahe trotzig spart er folglich auf seiner Homepage jeden Verweis auf die Geschwisterbande aus; eine Trotzhaltung, die vielleicht auch als Qualität zu deuten ist: Indiziert sein Pianistentum doch auch Beharrungsvermögen, tiefe Begeisterung für das Instrument, eine innere Berufung, der - Verwandtschaft hin, Marketingstrategien her - auch die erdrückende brüderliche Erblast nichts anhaben konnten.

Obwohl durch ein Klavierstudium am Oberlin Conservatory in Ohio vorbelastet, entschied Jarrett erst 1985, im selben Jahr, in dem er im norddeutschen Oldenburg sesshaft wurde, sich ernsthaft und endgültig der Musik zu widmen. Was er sowohl als Komponist für Ballett, Film, Konzertsaal und Musiktheaterbühne (die noch unaufgeführte Oper John Donne) als auch an den 88 schwarz-weißen Tasten tat.

Letzteres vor allem in Solokonzerten, in deren Rahmen er seine facettenreichen Charakterstücke zu Gehör brachte. In ihnen profilierte sich der 48-Jährige als stilistisch schwer zuordenbarer Musiker, der gleichermaßen auf Johannes Ockeghem, Sergej Prokofiev, Charles Mingus und Frank Zappa als Einflussfaktoren verweist. Doch damit nicht genug: Im 2001 gegründeten Chris-Jarrett-Trio - nachzuhören auf der CD "New World Music" (Edition Musikat, 2002) - entspinnt sich tatsächlich ein interkultureller Dialog zwischen Orient, Okzident und Afroamerika.

Im Verein mit dem irakisch-stämmigen Oud-Meister Karim Othman Hassan und dem türkischen Perkussionisten Shakir Ertek generiert Jarrett sensibel ausbalancierte Kammerklänge, die sich weniger als "neue Weltmusik" denn als Musik für eine neue, friedfertigere Welt verstehen. Das sind Töne, wie man sie vom älteren Bruder wahrlich noch nicht vernommen hat. (DER STANDARD, Printausgabe, 8.4.2004)