Verdacht auf Mitgliedschaft in terroristischer Vereinigung rechtfertige keine weitere U-Haft
Zwar sei er weiterhin dringend verdächtig, Mitglied einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein. Dies rechtfertige aber nicht eine Fortdauer der U-Haft. Motassadeq muss nun aber strenge Auflagen beachten, darf Hamburg nicht verlassen und keinen neuen Pass beantragen. Nach Gerichts-Angaben bleibt der Haftbefehl gegen den 30-Jährigen zwar bestehen, wird aber außer Vollzug ausgesetzt.
Ersturteil, bei dem Marokkaner zunächst der Beihilfe zum Mord schuldig gesprochen wurde, ist aufgehoben
Der Marokkaner war vor gut einem Jahr im weltweit ersten Prozess um die Terroranschläge vom 11. September wegen Beihilfe zum Mord an rund 3.000 Menschen und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob den Schuldspruch der Hamburger Richter jedoch in der Revision auf und wies ihn zur Neuverhandlung an das Hamburger Oberlandesgericht zurück. Nach Angaben der Gerichtssprecherin Sabine Westphalen soll der neue Prozess voraussichtlich am 16. Juni beginnen.
Anwalt: Motassadeq will sein Studium fortsetzen
Motassadeqs Anwalt Josef Josef Gräßle-Münscher sagte nach der Freilassung vor Journalisten, sein Mandant wolle jetzt so schnell wie möglich sein Studium der Elektrotechnik an der Technischen Universität Hamburg-Harburg wieder aufnehmen. Motassdeq sei "ein Mühlstein vom Herzen" gefallen, als er von der Entscheidung des OLG gehört habe. "Er hat nur gelacht." Der neue Prozess sei etwas, "was wir nicht mehr fürchten müssen", betonte Gräßle-Münscher. Motassadeqs zweiter Verteidiger Gerhard Strate sprach von einer "erfreulichen Entscheidung", da der Hauptvorwurf fallen gelassen worden sei.
Auflagen
Westphalen zufolge muss Motassadeq sich zweimal wöchentlich bei der Polizei melden. Außerdem darf er Hamburg nicht verlassen und erhält seinen Pass zunächst nicht zurück. Nach Einschätzung des Gerichts wird die Fluchtgefahr durch die verhängten Auflagen, aber auch durch die sozialen Bindungen des Angeklagten in Hamburg vermindert, zumal die Untersuchungshaft von zwei Jahren und vier Monaten bei einer etwaigen erneuten Verurteilung anzurechnen sei.
Generalbundesanwalt Kay Nehm könnte gegen die Entscheidung Beschwerde einreichen, über die dann der BGH zu entscheiden hätte. Dies werde er aber nicht tun, sagte er selbst. Er begrüße die Einschätzung des Gerichts, dass Motassadeq zumindest weiterhin dringend verdächtig ist, Mitglied einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein, sagte ein Sprecher.
Polizeigewerkschaft: Freilassung sei "weiterer bedeutender Rückschlag in Terrorismusbekämpfung"
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bezeichnete die Freilassung als "einen weiteren bedeutenden Rückschlag in der Terrorismusbekämpfung". GdP-Chef Konrad Freiberg erklärte, hauptverantwortlich für die schwerwiegende Entscheidung des Gerichts sei die unzureichende Informationspolitik der US-Regierung. Diese habe dringend benötigtes Wissen für den Prozess nicht freigegeben. Der Ausgang des Prozesses sei für alle Polizisten, die sich bemühen, Menschen vor Terroristen zu schützen, "nur schwer nachzuvollziehen".
Bereits Anfang des Jahres hatte das Hamburger OLG im zweiten El-Kaida-Prozess Motassadeqs Landsmann Abdelghani Mzoudi aus Mangel an Beweisen frei gesprochen. Der 31-Jährige sitzt schon seit vergangenem Dezember nicht mehr in Untersuchungshaft. Gegen den Freispruch hat die Bundesanwaltschaft Revision eingelegt.
USA enttäuscht
Die USA haben "enttäuscht" auf die Freilassung des unter Terrorismusverdacht stehenden Marokkaners Mounir El Motassadeq in Deutschland reagiert. Seine Regierung sei der Ansicht, dass ausreichende Beweise gegen den 30-Jährigen vorlägen, sagte Außenamtssprecher Adam Ereli am Mittwoch vor Journalisten in Washington. Motassadeq sei "ein gefährlicher Kerl". Ereli versicherte jedoch zugleich, dass seine Regierung weiterhin mit den deutschen Behörden im Kampf gegen den Terrorismus zusammenarbeiten wolle.
(APA/dpa)