Hamburg/Wien - Der radikale irakische Schiitenführer Muktada al Sadr werde vom Iran unterstützt. Das erklärte Hussein Sinjari, Chefredakteur der englischsprachigen Bagdader Zeitung "Iraq Today", in einem Interview mit "Spiegel Online". Trotz der zunehmenden Kämpfe zwischen irakischen Aufständischen und US-geführten Koalitionstruppen glaubt Sinjari aber nicht an einen drohenden Bürgerkrieg.

"Wir haben ernsthafte Probleme, aber keinen Bürgerkrieg", betonte der Journalist. Muktada al Sadr sei jung, und er habe viele Anhänger, vor allem unter den Armen und Ungebildeten. Er suche nach einer politischen Rolle und wolle in der Führung der Schiiten eine Rolle spielen, "aber ist dort praktisch ausgeschlossen. Also zeigt er seine Muskeln."

Er sei überzeugt, so Sinjari, dass Sadr "finanziell, moralisch und politisch" vom Iran unterstützt werde. "Es gibt zurzeit eine Art iranische Invasion, wie ich es nenne - zu Tausenden kommen Iraner in den Irak. Sie spielen in Kerbela Polizei, sie haben viele Schlüsselpositionen übernommen und kaufen zum Beispiel auch Land und Immobilien", sagte der Chefredakteur der einzigen englischsprachigen Zeitung im Irak.

Bei den bewaffneten Angriffen handle es sich um "keinen Aufstand, keine Intifada, auch keinen Putsch." Es sei eher eine Demonstration von Unzufriedenheit und Widerspruch. "Mehr als alles andere ist es ein Spielen mit den Muskeln", meinte Sinjari.

Zum Vorgehen der Amerikaner gegen Sadr und seine Milizen sagte Sinjari, es sei viel zu spät gekommen. "Die Amerikaner haben so viele Sachen falsch gemacht, und diese auch. Bisher haben sie nur wenige Sachen hinbekommen. Sie haben zugelassen, dass Iran al-Sadr finanziert und groß gemacht hat."

Der Mann auf der Straße unterstütze Sadr nicht. Die Mehrheit der Schiiten unterstütze ihn nicht, die Kurden nicht und die Christen auch nicht. "Er hat nur den Mob auf seiner Seite. Diese Schlägertypen lassen ihren Gefühlen freien Lauf, weil sie nichts zu verlieren haben. Es ist auch ein Problem der schiitischen Führung, die zulässt, dass ein junger Mann, der ungebildet und praktisch Analphabet ist, für Schiiten spricht", so die Einschätzung des Journalisten. (APA)