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Foto: REUTERS/Larry Downing
Gesundbeter und Politiker, sollte man meinen, sind eigentlich zwei verschiedene Berufe - doch die PR-Arbeit der Regierung Bush legt immer häufiger den Schluss nahe, dass die Anforderungsprofile dieser beiden Metiers in weiten Teilen übereinstimmen. Im Irak nehmen die politisch-militärischen Ereignisse eine speziell ungemütliche Wendung: Massaker in Falluja, massenhaftes Aufbegehren der Schiiten, amerikanische Generäle, die bereits laut über die Entsendung zusätzlicher Truppen nachdenken.

In St. Louis, Missouri und Charlotte, North Carolina, eröffnet George W. Bush derweil ungerührt Baseballmatches und spricht den Reportern im Vorübergehen optimistische Stehsätze ins Mikrofon: Selbstverständlich werde die Regierungsgewalt im Irak wie geplant per 30. Juni übertragen, man müsse Demokratie und Freiheit wagen und so weiter und so fort.

Insularer, selbstbezogener, von der Realität abgekoppelter war die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung Bush noch selten, und härter hat die demokratische Opposition den Präsidenten auch noch selten attackiert. Senator Edward Kennedy, einer der engagiertesten Wahlhelfer des Kandidaten John Kerry, hat sich am Montag nicht einmal mehr vor sonst tabuisierten historischen Vergleichen gehütet: George Bush habe der Nation ein neues "Vietnam" bereitet und die größte Glaubwürdigkeitslücke seit Richard Nixon zu verantworten.

Selbst wenn man solch dolchartig zugespitzte Vorwürfe nicht teilt: Es wird immer deutlicher, dass sich das öffentliche Handling des Irak- Themas durch die Regierung Bush einer Mischung aus durchsichtigem Kalkül und blanker Ratlosigkeit verdankt. Da wird einerseits der Wunsch spürbar, Fakten einfach wegzureden, aber auch die Hoffnung, dass mit dem magischen Datum des 30. Juni eine wirkliche Wende im Irak einsetzen und die Regierung einer ihrer lästigsten Wahlkampfbürden ledig werde. Worauf sich diese Hoffnung gründet, bleibt allerdings schleierhaft. Nicht einmal Bushs Parteifreund Richard Lugar, der als Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses im Senat sicher über ein paar gute Informationsquellen verfügt, glaubt, dass ein Souveränitätstransfer am 30. Juni realistisch ist.

Eine dahingeschlampte "Lösung" - etwa die Machtübergabe an ein zusammengestoppeltes Marionettenregime - könnte die Bush-Regierung vielleicht kurzfristig entlasten und ihr weitere Bilder von verbrannten und verstümmelten Amerikanern mitten im Wahlkampf ersparen. Ihr Mantra von der "Welt, die seit dem Sturz Saddams sicherer geworden ist", kann sie allerdings vergessen, wenn der gesamte Irak von einem Bürgerkrieg zerrissen wird. Das amerikanische Publikum scheint auch zu spüren, dass es mit der Lösungskompetenz der Regierung in Sachen Irak nicht weit her ist: In einer Umfrage des renommierten Pew-Instituts vom Montag schneidet Bush so schlecht ab wie noch nie zuvor.

Es wäre allerdings verfrüht, daraus auch schon ungünstige Schlüsse für Bushs Abschneiden beim Präsidentschaftswahlkampf im November zu ziehen. Denn Umfragen wie die des Pew-Instituts werden auf nationaler Ebene durchgeführt und mögen zwar ein Momentbild der nationalen Stimmungslage vermitteln. Sie sind aber wenig aussagekräftig über den Stand der Dinge in den wahlentscheidenden Einzelstaaten. Zweitens ist Bush an der ökonomischen Front entlastet worden, weil das Jobwachstum deutlicher ausgefallen ist als erwartet.

Drittens werden die Wahlkampfarchitekten von Bush gewiss noch für ein paar ausgefuchste Auftritte des großen Terrorbekämpfers sorgen, ein krönender Auftritt beim Nominierungsparteitag in New York City inklusive. So wie es jetzt aussieht, wird von den hochtrabenden Plänen der Bush-Regierung für eine schnelle Befriedung und Demokratisierung des Irak wenig übrig bleiben. Aber für einen zweiten Durchgang im Präsidentenamt wird das beharrliche Gesundbeten vielleicht doch noch ausreichen. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.4.2004)