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Jean-Pierre Raffarin bei seiner Regierungserklärung

Foto: Reuters/Platieau
Paris - Der umstrittene französische Premierminister Jean-Pierre Raffarin hat ein Vertrauensvotum im Parlament klar überstanden. Gut eine Woche nach der schweren Niederlage des Regierungslagers bei den Regionalwahlen stimmten in der Pariser Nationalversammlung 379 Abgeordnete für Raffarin. Gegen den Premier sprachen sich 178 Abgeordnete aus. Raffarin gestand "Fehler und Langsamkeiten" ein, die er mit seinem neuen Kabinett "korrigieren" will. Er halte aber "am Reformkurs fest, an den gerechten Reformen", sagte Raffarin. Derweil fiel seine Beliebtheit und die von Staatspräsident Jacques Chirac auf einen neuen Tiefstand.

Bei den Wahlen hätten die Bürger "ihren Wunsch nach Gerechtigkeit" zum Ausdruck gebracht, sagte Raffarin. Die neue Regierung werde sich "dem Erhalt und der Sicherung der Sozialsysteme" widmen. Zudem sollten "die Arbeit aufgewertet und die Verdienste belohnt werden". Noch im Sommer will Raffarin eine Gesundheitsreform durchs Parlament bringen, um die Milliardendefizite einzudämmen. Nach Angaben des neuen Gesundheitsministers Philippe Douste-Blazy soll diese Reform mit 1. Jänner 2005 in Kraft treten. Raffarin gab bekannt, dass der Mindestlohn SMIC zum 1. Juli um 3,7 Prozent erhöht wird. Von der Nationalversammlung forderte er einen "Handlungsauftrag".

"Unverständnis, Misstrauen, Wut"

Der Parteichef der Sozialisten, François Hollande, griff Raffarin und Staatspräsident Chirac scharf an. Beide lösten "Unverständnis, Misstrauen und vielleicht sogar Wut" aus, indem sie Raffarins neue Regierung als Lösung präsentierten. Raffarin habe "eine rechnerische Mehrheit" im Parlament, aber "nicht mehr jene der Franzosen" hinter sich, sagte Hollande unter Verweis auf die Regionalwahlen, bei denen Ende März erstmals seit 1988 eine Wählermehrheit links gewählt hatte.

Raffarin regiert seit Mai 2002 mit der Mehrheit der rechtsbürgerlichen UMP und der zentrumsliberalen UDF. In den vergangenen Monaten überstand er bereits drei Vertrauensvoten, das letzte wenige Wochen vor den Regionalwahlen. Die liberale UDF, die sich vor diesen Wahlen stark von der UMP abgesetzt hatte, kündigte in der Generaldebatte die Unterstützung der neuen Regierung an.

Paris werde das Euro-Defizitkriterium von höchstens drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) mit Hilfe des "wiederkehrenden Wachstums" künftig einhalten, versprach Raffarin, ohne dazu ein Datum zu nennen. Nach einem Bericht von "Le Monde" rechnet die Pariser Regierung intern damit, dass die Defizite auch in diesem und im kommenden Jahr bei rund vier Prozent liegen werden.

Die Umwandlung der Staatsbetriebe EDF und GDF werde weitergehen, sagte Raffarin. Die Energieunternehmen sollen für privates Kapital geöffnet werden. Das Privatisierungsprogramm solle beschleunigt werden. Auf Details hinsichtlich der geplanten Kurskorrekturen ging Raffarin wenig ein.

Nach einer Louis-Harris-Umfrage für die Zeitung "Liberation" und AOL haben nur noch 40 Prozent der Franzosen eine gute Meinung von Präsident Chirac - so wenig wie seit den Zeiten des unbeliebten Premierminister Alain Juppe (1995 bis 1997) nicht mehr. Raffarin verlor noch einmal fünf Prozenpunkte und kam nur mehr auf 31 Prozent. 58 Prozent der Befragten erklärten, Chirac habe einen Fehler gemacht, Raffarin nach der Wahlschlappe im Amt zu lassen. In Umfragen der vergangenen Woche hatten sich zwei Drittel für eine Ablösung Raffarins ausgesprochen.

Präsident Chirac hatte nach der Niederlage bei den Regionalwahlen "Fehler" in der Reformpolitik eingestanden und versucht, mit einer neu gebildeten Regierung das Vertrauen der unzufriedenen Wähler zurückzugewinnen. So stieg der beliebte Innenminister Nicolas Sarkozy zum "Superminister" für Finanzen und Wirtschaft auf. Außerdem wurde mit Jean-Louis Borloo ein Minister für Arbeit und "sozialen Zusammenhalt" ernannt. EU-Kommissar Michel Barnier folgte als Außenminister Dominique de Villepin nach, der von Sarkozy das Innenressort übernahm. (APA/AP/dpa)