Wien - Drei Viertel der Stadtbewohner halten sich nach eigener Einschätzung prinzipiell für pumperlgesund. Allerdings wissen auch viele, wie es um ihre Gesundheit steht. Dass nämlich das Kreuz und die Beine sie nicht mehr so zuverlässig tragen, wie das in früheren Jahren der Fall war. Viele klagen über Kreislaufbeschwerden und peinigende Migräne.

Die Männer leiden häufiger an Atemwegserkrankungen als die Frauen. Bei denen wiederum stehen Krankheiten des Nervensystems und Schäden bei den Sinnesorganen ganz oben auf der Beschwerdeliste. Rund 25 Prozent der Bevölkerung Wiens sind nach eigener Einschätzung demnach chronisch krank.

Vorsorge

Nur in Oberösterreich schätzen die Menschen ihren Gesundheitszustand noch ein wenig pessimistischer ein, die Vorarlberger und die Salzburger scheinen am seltensten von chronischen Erkrankungen geplagt. Das zeigt ein umfangreicher Bericht über "Chronische Krankheiten in Wien", den Gesundheitsstadträtin Elisabeth Pittermann (SP) am Montag präsentierte.

Als Konsequenz aus dem Bericht leitet Pittermann ab, dass in der Gesundheitspolitik mehr für die Vorsorge getan werden muss. Was das derzeit in Europa heftig diskutierte Rauchverbot in Lokalen betrifft und wie es beispielsweise in Dublin umgesetzt wurde, würde sich dem Pittermann als überzeugte Nichtraucherin sofort anschließen. Aber sie weiß, "Wien alleine kann da nichts ausrichten". Angesichts rauchender Politikerkollegen sei auch die Vorbildwirkung gering.

Eleonore Bachinger, eine der Verfasserinnen des Gesundheitsberichts, meint, dass "64.000 bis 80.000 in Wien an Diabetes leiden". Die Zuckerkrankheit wird aus mehreren Gründen, auch international, immer öfter diagnostiziert. In der Wohlstandsgesellschaft wird nicht nur gegessen, um den Hunger zu stillen. Zu viel Schmackhaftes, zu wenig Bewegung und damit Übergewicht begünstigen das Entstehen von Diabetes. Außerdem werden die Menschen immer älter, Diabetes tritt häufig im Alter auf ("Altersdiabetes"). Ein weiterer Grund sind verbesserte Verfahren zur Früherkennung der Krankheit - sie wird öfter und früher bemerkt.

Diabetes und Armut

4,3 Prozent der Frauen haben die Zuckerkrankheit und 3,4 Prozent der Männer. Bachinger sagt, es gebe eine relativ hohe Dunkelziffer. Es gebe auch einen direkten Zusammenhang mit dem sozialen Status der Bevölkerung. So haben in Wien von den Personen ab 45 Jahren in der untersten Einkommensschicht Männer und Frauen fast fünfmal so häufig Diabetes wie jene in den obersten Einkommensschichten. Ärmere können für qualitativ hochwertige Nahrungsmittel weniger ausgeben oder wissen weniger über gesundes Essen Bescheid.

Laut Eigenangaben sind in Wien derzeit rund 14.000 Personen an Krebs erkrankt. Bis zu 7000 Neuerkrankungen werden pro Jahr registriert. Am häufigsten treten Lungenkrebs und Brustkrebs auf. (aw, Der Standard, Printausgabe, 06.04.2004)