Das hat er der Welt (er hat den Nobelpreis abgelehnt) bereits in Anna Karenina klar gemacht: die Ich-Konflikte bleiben ungelöst. Im Alter von 50 Jahren begann jene tiefe Lebenskrise, die den russischen Schriftsteller später literarisch auf eine naive Versessenheit auf Sinnsprüche zurückwarf und ihn schließlich, da ohne Ausweg, die Flucht vor der Familie antreten ließ. Von dieser handelt Robert Quittas neues Theaterstück Tolstoi in Astapovo.
In einer Oktobernacht 1910 stiehlt sich Tolstoi heimlich von zu Hause weg, zu einer Bahnreise nach Konstantinopel, die aus gesundheitlichen Gründen im Örtchen Astopovo unterbrochen werden muss. Bei Quitta heißt es Pulkau, und die (von Wien aus eineinhalbstündige) Anfahrt ins Weinviertel ist Teil des Programms: Weite, Leere.
Im Wartezimmer der aufgelassenen Bahnstation liest eine Frau Erbsen, rasen Kinder wie wild durch den Raum, spielt ein Mädchen Tennis. Ein Mann stelzt philosophisches Zeugs und entledigt sich seines Ichs bis auf die nackte Haut (der junge Tolstoi). Eine Dame im Pelz wirft dem auf einer Bank sterbenden Dichter Küsse aus der Entfernung zu (seine Frau, die nach Tolstois Tod im Dienstzimmer des Bahnhofsvorstandes nicht mehr zu ihm gelassen wurde).