Wien - Einen "Kulturbruch" im Bildungsbereich und eine "Entprovinzialisierung des Schulwesens" will die SPÖ mit ihrem am Donnerstag konstituierten "Kompetenzteam Bildung" erreichen. Bis zum Spätherbst soll ein Gesamtentwurf zur Bildungspolitik erarbeitet und beim Parteitag Ende des Jahres verabschiedet werden. Umfasst würden dabei Bereiche von der Kindergartenpädagogik über Schule und Unis bis zum lebenslangem Lernen sowie die Lehrerausbildung, kündigte SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer bei einer Pressekonferenz in Wien an.

Gerechtigkeitsfrage

In keinem anderen Feld stelle sich die Gerechtigkeitsfrage so stark wie in der Bildungspolitik, so Gusenbauer. Wenn man in Österreich aber so weiter mache wie bis jetzt, "produzieren wir eine Generation der Verlorenen". Derzeit werde so getan, als ob es den Durchschnittsschüler oder die Durchschnittsstudentin gebe - daher existiere zu wenig Förderung sowohl für die Minder- als auch für die Hochbegabten. Ähnlich äußerte sich die Wiener AHS-Direktorin Heidi Schrodt: "Wir sind sehr gut in der Förderung einer breiten Mitte, aber schlecht bei der Förderung von Schwachen und Hochbegabten." So gebe es etwa in Finnland eigene Lehrkräfte für Begabungsförderung, die mit einzelnen Kindern nach einem speziellen Lehrplan arbeiten würden.

Brandsteidl will bilinguale Schule

Die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (S) will der derzeitigen "einsprachigen, halbtags geführten Dorfschule" eine bilinguale, europäische Schule gegenüberstellen, die ganztägig geführt wird und an der die Kinder bis zum Alter von 15 Jahren gemeinsam unterrichtet werden. An den Schnittstellen (also etwa bei der Matura, Anm.) müsse es zentrale bzw. teilzentrale Prüfungen geben, in der AHS-Oberstufe ein Modulsystem. Derzeit seien die Abschlüsse zu stark auf den Standort Österreich konzentriert, so Brandsteidl. Außerdem schaffe man es sehr schlecht, soziale Unterschiede zu kompensieren. Es bedürfe daher einer "Entprovinzialisierung des Schulwesens". Überlegungen sollten auch hinsichtlich der Schaffung eines mittleren Abschlusses angestellt werden.

Schrodt fordert größtmögliche Schulautonomie

Schrodt forderte - im Gegensatz zu Brandsteidl - eine größtmögliche Schulautonomie bei gleichzeitiger Qualitätskontrolle durch den Staat. Außerdem müssten die derzeit unprofessionellen Führungsstrukturen an den Schulen (ein Direktor, sonst nur Lehrer) überdacht werden.

Niederweiser: Andere Schule möglich

Dass eine andere Schule als heute möglich sei, müsse aber erst vermittelt werden, meinte SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser. Dies bedürfe nicht zuletzt eines "Kulturbruches in den Köpfen".

Broukal und Niederwieser als Koordinatoren

Die Koordination des Kompetenzteams haben Niederwieser und SPÖ-Wissenschaftssprecher Josef Broukal übernommen. In der Arbeitsgruppe vertreten sind neben SPÖ-Abgeordenten unter anderem der ehemalige Unterrichtsminister Rudolf Scholten (S), Bundesschulsprecherin Romana Brait, der Vorsitzende des Uni-Rats an der Uni Wien, Max Kothbauer, Philosophie-Professor Konrad Paul Liessmann, der Krebs-Spezialist Christoph Zielinski und der Rektor der Uni Linz, Rudolf Ardelt. (APA)