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Dhaulagiri, der siebthöchste Gipfel der Welt, von der ISS aus gesehen

Foto: Reuters/STR

Berlin - Die Alpen können sich halten, die Anden werden weiter abgeflacht, und der Himalaya droht überhaupt zu kollabieren. Dieses Resümee ziehen Wissenschafter anhand der jüngsten Satellitendaten, die auf der Jahrestagung der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft in Berlin präsentiert wurden.

Vom Weltraum aus sieht die Erde runzelig aus: Ein Faltenwurf zieht sich durch Amerika, von Alaska bis Feuerland, ein anderer von Frankreich aus durch Europa und Asien. Die Erde ist nicht faltig, weil sie mit ihren vier Milliarden Jahren alt ist, sondern weil sie so dynamisch ist. Entstünden nicht stets neue Gebirge, wären die Kontinente binnen 300 Millionen Jahren weit gehend abgetragen und überflutet.

Gesteinsplatten bilden die Haut der Erde und driften, von heißem Gesteinsbrei im Erdinneren getrieben, auseinander, aneinander vorbei und gegeneinander. In der Knautschzone zweier Platten werfen sich Falten auf: Gebirge. Trifft eine ozeanische auf eine Kontinentalplatte, erhebt sich in der Nahtzone ein Vulkangebirge von der Art der Anden: Die ozeanische Platte taucht ins Erdinnere ab, verliert in der Hitze wasserhaltige Minerale. Das Wasser quillt empor, erweicht das darüber liegende Gestein zu Magma. Irgendwann bricht diese unterirdische Lava an die Oberfläche - Vulkane entstehen.

Treffen Kontinentalplatten aufeinander, türmen sich wie bei den Alpen dicke Faltengürtel auf: Die Platten schieben sich in- und übereinander. Die Gipfel von Alpen und Anden unterscheiden sich deutlich. Während die Anden von einem riesigen Hochplateau gekrönt werden, sind die Alpen wild zerklüftet.

Bohrungen haben ergeben, dass das Innere der Anden durch das Magma viel heißer ist als das Innere der Alpen. Durch die Hitze werden die Anden eingeebnet, berichtet Onno Oncken vom Geoforschungszentrum Potsdam: Wie Eisberge im Wasser sinken die Gipfel der Anden in die heiße, somit nachgiebige Gesteinsglut im Inneren.

Stabilisierende Kälte

Die Alpen sind dagegen kalt, deshalb bleibt ihr Relief erhalten. Die Höhenplateaus der Anden dehnen sich noch immer aus. Dafür sorgt nach neuesten Erkenntnissen die Südamerikanische Erdplatte, die die Anden von Osten her auf die Pazifische Platte im Westen aufschiebt.

Bis vor kurzem galten die Dehnungsbewegungen der Anden als Zeichen der Altersschwäche des Gebirges, das seine eigene Last nicht mehr zu tragen vermag. Mit dem GPS-Satellitennavigationssystem konnte die Bewegung der Südamerikanischen Platte aber nun millimetergenau nachgewiesen werden. Überraschend sei, dass die Stauchung des Gebirges scheinbar ohne Erdbeben vor sich gehe, sagt Oncken. Aus bisher unbekannten Gründen müssen die Berührungsflächen der Platten gut "geschmiert" sein.

Der Himalaya droht den Satellitenbildern zufolge zu kollabieren. Zwar drückt die Indisch-Australische Platte von Süden, schiebt weiter Gesteinsschichten übereinander und sorgt immer wieder für schwere Erdbeben; im Norden des Gebirges weisen Dehnungen im Fels aber darauf hin, dass das Tibetische Hochland nach Osten und Westen langsam absinkt, berichtet der US-amerikanische Geologe Peter Molnar. Laut dem Tübinger Forscher Wolfgang Frisch sinken alle Gebirge über 8000 Meter Höhe unter ihrem eigenen Gewicht zusammen. (Axel Bojanowski/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1. 4. 2004)